Ultraleicht ist in aller Munde. Hersteller unterbieten sich beim Gewicht der neuesten Ausrüstung, was dem Wanderer zugute kommt. Wie man die ersten ultraleichten Schritte geht, erklärt Hendrik Morkel.
Schwerer Anfang
Oktober 2008, später Nachmittag: Martin und ich stehen am Anfang des Karhunkierros, der Bärenrunde, Finnlands populärstem Wanderweg. Unser Ziel ist das 80 km entfernte Ruka. Wir füllen unsere Wasserflaschen und schultern unsere Rucksäcke, gut 26 kg schwer, beladen mit allem, was man für so eine Wanderung braucht: Das komplette Trangia Set samt Sicherheits-Alkoholflasche, ein paar Socken und Unterwäsche für jeden der kommenden sechs Tage, extra T-Shirts und Hosen sowie Regenklamotten. Zelt, Schlafsack und eine Menge Essen runden das Ganze ab.
Fünf erlebnisreiche Tage später, in denen wir Rentieren und Elche begegnet sind, in überfüllten Hütten mit schnarchenden Wanderern und in einsamen Laavus an rauschenden Flüssen geschlafen haben, kommen wir erschöpft, aber glücklich in Ruka an. Die letzten Kilometer über die Fjells nach Ruka waren recht anstrengend, denn unsere Rucksäcke waren immer noch schwer (es war ja lediglich etwas weniger Verpflegung drin). Wir springen in ein Taxi nach Kuusamo, von wo wir mit dem Bus weiter gen Süden reisen wollen.
Besagter Bus beschließt aber, auf halbem Weg spontan durch eine defekte Ölleitung in Flammen aufzugehen. Zehn Minuten, nachdem alle Passagiere draußen sind, springen mitten im Wald die Flammen meterhoch in den Himmel. Betrübt schauen Martin und ich auf das, was von unserem Gepäck übrig geblieben ist, nachdem die Feuerwehr den Bus gelöscht hat: Ein Haufen dampfender Asche.
Gewichtsklassen
Im Ultraleicht-Jargon spricht man von verschiedenen Gewichtsklassen. Da gibt es den traditionellen Wanderer, der mit mehr als 10 kg Baseweight (Basisgewicht = das Gewicht der getragenen Ausrüstung minus Nahrung, Wasser und Brennstoff) unterwegs ist; den leichtgewichtigen Wanderer, der zwischen fünf und zehn Kilogramm trägt; den Ultraleichten, der mit unter 5 kg Basisgewicht wandert; und den superultraleichten Wanderer, der ein Basisgewicht von unter 2,5 kg aufweisen kann. Die meisten Ultraleicht-Wanderer sind mit einem Basisgewicht von um die fünf bis sechs Kilogramm zufrieden; oft haben sie die 5-kg-Grenze unterboten, aber dann noch den einen oder anderen Luxusartikel wieder mit eingepackt – sei es ein Packraft, eine leichte Kletterausrüstung oder die DSLR-Kamera mit Teleskoplinse.
Eine leichte Verwandlung
Und das war erst mal das Ende meiner Wanderkarriere. Genossen habe ich es nämlich nicht, diese 26 kg durch die Gegend zu tragen. Ganz hat mich die Wanderlust dann aber doch nicht losgelassen und da meine alte Ausrüstung ein Opfer der Flammen geworden war, konnte ich nun noch mal ganz neu anfangen. Etwas musste sich aber ändern! Denn mal ehrlich, die zwei Töpfe und die Pfanne des Trangia habe ich nicht alle gebraucht, ganz zu schweigen von all der extra Kleidung. Das muss leichter, besser gehen, habe ich gedacht.
Und so fing meine Ultraleichtkarriere an: Ich bin durch das Internet von Forum zu Forum und von Webshop zu Webshop gesurft, um Gleichgesinnte und neue Ausrüstung zu finden. Fündig geworden bin ich beim Forum www.ultraleicht-trekking.com. Schnell wurden noch ein paar Bücher zum Thema bestellt und schon war ich um einiges schlauer: Dass es nämlich durchaus leichter geht, sehr viel leichter!
So wurde ein Rucksack mit einem sehr einfachen Innengestell in den USA bestellt, der Schlafsack wurde durch einen Daunenquilt ersetzt und die alte Therm-a-Rest-Matte, die mir zehn Jahre lang treue Dienste geleistet hat, wurde durch ein neueres, leichteres Modell ersetzt. Die große Frage war dann: Zelt oder Tarp? Ich entschied mich für Letzteres, auch wenn mir das schlafen so fast unter freiem Himmel doch noch sehr suspekt erschien.
Das waren die großen Drei, weiter ging es mit den »Kleinigkeiten« – Küche, Kleidung und Hygiene. Der Trangia wurde durch einen Holzkocher und Titantopf ersetzt, denn totes, trockenes Holz gibt es im Wald zur Genüge und so braucht man keinen Spiritus kaufen und mitschleppen. Kleidungstechnisch wurde auf das Zwiebelprinzip gesetzt, um nicht unnötig viel Kleidung mitzunehmen. Merinounterwäsche und -socken, ein synthetisches Funktionsshirt, eine lange Hose, eine Wind- und Regenjacke, ein Isolationspullover und ein Extra-Paar Socken für die Nacht, das ist alles ,was der ultraleichte Wanderer im Sommer benötigt. Erwartet man Regen, nimmt man noch eine Regenhose und ein Regenschirm mit, um etwas trockener zu bleiben. Zu allerletzt wurde statt auf Wanderstiefel auf Trailrunningschuhe gesetzt. Ein Viertel des Gewichts der Stiefel, sehr luftig und atmend mit einem aggressiven Stollenprofil, war dies eine der größten Veränderungen.
Der Kulturbeutel ist auch auf ein Viertel seiner Größe und ein Zehntel seines Gewichts geschrumpft – und dabei ist nicht einmal die Zahnbürste abgesägt worden! Erreicht wurde das durch Umfüllen von Flüssigseife, Sonnencreme und Mückenschutzmittel in kleinere Behälter, dem Verwenden von getrockneten Zahnpastadrops (einfach selbst herzustellen!) statt einer ganzen Tube. Das Ganze wird in einem kleinen Cuben-Beutel transportiert und mit genügend Toilettenpapier für die geplante Tour ausgestattet.
Leichtfüßig wandern
Ausprobiert wurde die neue Ausrüstung und das gewonnene Wissen auf einem bekannten Wanderweg. 55 km, von Freitagnachmittag bis Sonntag, sollten so leichtfüßig gelaufen werden. Das wäre mit der alten Ausrüstung sehr knapp geworden, doch dank des leichten Rucksacks und der neuen Schuhe gingen Kilometer für Kilometer locker vorbei, so dass schon bald die erste geplanten Campingstelle erreicht war. Ein Blick auf die Uhr überraschte mich dann doch, nicht mal anderthalb Stunden für die ersten zehn Kilometer! Die Sonne stand noch hoch am blauen Himmel, und so beschloss ich, kurzfristig einfach weiter zu laufen.
Dreieinhalb Stunden und 20 Kilometer später war dann der zweite Campingplatz erreicht, wunderschön an einem großen See gelegen. Mit einsetzender Dämmerung wurde das Tarp aufgebaut, die Isomatte aufgeblasen und der Quilt zum Loften hingelegt, bevor einige trockene Äste vom Waldboden aufgesammelt wurden, um zu kochen. Es dauerte nicht lange, bis der Rauch von meinem Kocher aufstieg, das Wasser kochte und mein Abendessen am Rehydrieren war. Mit einer Tasse Kakao saß ich nach dem Essen noch ein wenig am Ufer und lauschte den Vögeln, bevor ich mich unters Tarp legte. Aus dem Quilt heraus hatte ich noch immer eine grandiose Rundumsicht über den See und in den Wald; so dauerte es nicht lange, bis ich einschlief.
Quilt kontra Schlafsack
Der Quilt ist nichts anderes als ein Schlafsack ohne Boden. Diese Entwicklung kommt daher, dass bei Daunen-Schlafsäcken – und bis zu einem gewissen Maß auch bei synthetischen – die Loft, also die Isolation, die einen warm hält, soweit komprimiert wird, dass sie nichts hilft. Beim Quilt fehlt also der Rücken, was auch mehr Bewegungsfreiheit bedeutet. Um unangenehmen Luftzug zu verhindern, haben moderne Quilts elastische Gurte, mit denen sie fixiert werden – entweder um die Isomatte oder um die Person selbst, wenn man mehr Bewegungsraum bevorzugt.
Am nächsten Morgen wurde ich mit Sonnenschein geweckt. Ich packte meine Sachen zusammen und lief los. Nach einer Stunde unterwegs frühstückte ich auf dem Trail, nachdem ich wieder ein paar Äste für meinen Holzkocher gesammelt hatte. Erneut erfreute ich mich an meinem kleinen Feuer und dem kostenlosen Brennstoff. Gestärkt ging ich weiter durch Wälder und Felder, vorbei an Seen, die zum Schwimmen einladen, und erreiche noch am späten Morgen mein Ziel. 55 km in weniger als 24 Stunden, ohne Anstrengung – ultraleicht macht es möglich! …
Text/Bilder: Hendrik Morkel
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 02/2012.