In der südfranzösischen Lozère
In der südfranzösischen Lozère bieten die Schluchten des Tarns und der Jonte außergewöhnlichen Fahrrad-Genuss. Wer die spektakulären Serpentinenabfahrten hinunter sausen will, muss zuvor die großen Hochplateaus der Causse Méjean und Causse de Sauveterre erobern. Eine reizvolle Herausforderung für alle, die mit entsprechender Grundkondition und einem Tourenrad oder E-Bike ausgestattet sind. Silke Rommel und Thomas Rathay waren im Gebiet der Causses und Cevennen unterwegs.
Text: Silke Rommel / Bilder: Thomas Rathay
Nachdem wir unsere Leih-E-Bikes in Florac abgeholt und sie mit unseren kunstvoll gepackten Satteltaschen bestückt haben, starten wir direkt an Kirche und Friedhof auf der D16. Unsere »E-Furys« sind nervös und wollen mit uns E-Bike-Anfängern gleich mal durchgehen. Viel Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen bleibt nicht, denn die gut asphaltierte D16 schlängelt sich gleich in einer Vielzahl von Serpentinen sechs Kilometer ohne Schatten und mit viel Sonne hinauf auf die Causse Méjean. Vorsichtig machen wir uns mit der Gangschaltung und der fünfstufigen E-Unterstützung vertraut – das Anfahren am Berg mit dem E-Bike erinnert uns an die erste Fahrstunde. Man kann zwar den Motor nicht abwürgen, aber wenn man mit einer starken Unterstützungsstufe losfahren will, zeigt sich das Fahrrad eben wie ein Fury sehr ungestüm! Unsere Nasen schwelgen im Blütenparfüm, das im Mai von den gelb blühenden Ginsterbüschen und den Akazienbäumen am Straßenrand verströmt wird.
Erste Bergetappe hinauf auf die Causse Méjean
Direkt über uns thronen die Felsen der Causse. Besonders markant sind zwei Felsen, die die Kontur von zwei sich küssenden Köpfen haben und beim angestrengten Treten als Blickfang dienen. Klar wäre es problemlos möglich, gleich zu Beginn von unserem »E-Pony« mit der Turbo-Stufe die größt mögliche Unterstützung abzufordern. Wir wollen jedoch nicht schon kurz nach dem Start alle Kraftressourcen ausnützen! Aber keine Frage, auch die sanfteren Stufen entlasten uns auf diesen ersten 500 Höhenmetern in den Waden schon großartig.
Wir gelangen am Rande des Hochplateaus an und der Parc National de Cévennes begrüßt uns. Am Parkplatz des Col de Pierre Plate machen wir eine erste Pause, um den angekündigten Dolmen zu suchen. Für Außenstehende geben wir sicherlich ein lustiges Bild ab, denn wir irren über das Plateau mal in die eine, mal in die andere Richtung, aber weder vom Dolmen noch von einem Hinweisschild auch irgendeine Spur!
Weiter geht es dann ohne historischen Fund im sanften Auf und Ab auf der breiten D16, die eingerahmt ist von saftigen Grünflächen, auf denen sich zahlreiche Butterblumen der Sonne entgegenstrecken. Sehr angenehm, dass die gut ausgebaute Straße wenig befahren ist und wir somit auch während der Fahrt die herrliche Hügellandschaft aufsaugen können. Die hohen Gräser wiegen sich sanft im Wind, und auch hier verstecken sich die angekündigten Menhire erfolgreich vor uns, dafür grasen jede Menge Schafe am Straßenrand.
Bei der Ausschilderung nach Montbrun biegen wir nach rechts ab, verlassen die D16 und fahren weiter auf einer schmaleren, aber ebenso gut geteerten Straße. Wir radeln vorbei an einer Ferme Auberge, die regionale Produkte verkauft. Bald darauf bekommen wir eine wirklich atemberaubende Aussicht geboten: Steil unten im Tal liegt der Tarn und dahinter erstrecken sich wuchtige Felsen hinauf zu einem weiteren Hochplateau, der Causse de Sauveterre. Dieser herrliche Panoramabalkon ist wie geschaffen für eine Vesperpause mit knusprigem Baguette und Pélardon, dem würzigen Cevennen-Käse – einen schöneren Platz können wir uns hierfür kaum vorstellen!
Die Tarn-Schlucht lockt unten im Tal
Was dann folgt, ist eine kurvenreiche, fünf Kilometer lange Abfahrt hinunter nach Montbrun, die wir unbeschwert mit kaum Gegen- oder Überholverkehr genießen, zugegebenermaßen glühen die Bremsen ordentlich, als wir den Ort erreichen. Unten am Tarn angekommen, schlängelt sich die Strecke ganz nah am Ufer über Chadenède weiter bis nach Castelbouc. Einige Kanuverleiher und Campingplatzanbieter bereiten sich schon auf die nahende Saison vor.
Bevor wir in Castelbouc am Zeltplatz die Tarnseite wechseln, empfiehlt es sich auf jeden Fall, einen Abstecher zu Fuß entlang der Felsen in Richtung der Grotte zu machen und den alten, nur noch selten bewohnten Häusern einen Besuch abzustatten. Auf der D907 gibt es noch einen Postkartenblick auf Castelbouc. Unser nächstes Zwischenziel Sainte-Enimie, eines der schönsten Dörfer Frankreichs, liegt noch rund zehn Kilometer entfernt. Die Straße ist sehr gut ausgebaut und zwei Autos haben bequem nebeneinander Platz. Unser anfängliches Unbehagen, nicht auf Radwegen unterwegs zu sein, legt sich schnell.
Der Perspektivenwechsel den wir nun unten im Tal entlang des olivgrünen Tarns erleben, gefällt uns sehr und wir rollen dicht entlang an den teilweise überhängenden Felsen und den vereinzelten Häusern. Farblich dominieren der strahlend blaue Himmel und die unterschiedlichsten Grünschattierungen auf den Felsrücken. Kurz vor Sainte-Enimie durchfahren wir noch ein »Hole in the rock«, sozusagen einen kleinen Felstunnel, und dann erreichen wir das wundervoll herausgeputzte, mittelalterliche Dorf direkt am Fluss. Eine Pause ist hier ein absolutes Muss. Wer den malerischen Ort mit seinen dicken Mauern intensiver oder auch im Abendlicht erkunden möchte, dem bietet sich eine reichhaltige Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Entlang der Schlucht gibt es auch eine Vielzahl von Zeltplätzen, so dass man auch gut autark mit dem Zelt unterwegs sein kann.
GPS-Daten | Länge 124 km | Webcode #6703 | GPX Track herunterladen
Die vollständige Tourenbeschreibung lesen Sie in der Ausgabe 3/2016 des Bike&Travel Magazins.