Sizilien ist die größte Mittelmeerinsel und für Radler eines der schönsten Ziele Europas – besonders im Frühling, wenn es überall grünt und blüht, wenige Touristen unterwegs sind und man die kurvigen Nebenstraßen für sich hat.
Im Jahr 1693 bebte im Osten Siziliens der Boden. Gebäude stürzten ein, komplette Orte verschwanden von der Bildfläche. Nach der Tragödie, bei der rund 60.000 Menschen ums Leben kamen, folgte der Wiederaufbau. Das Gesamtkunstwerk würdigte die UNESCO im Jahr 2022: Sie erhob die acht spätbarocken Städte des Val di Noto zum Weltkulturerbe. Vier dieser Schmuckstücke möchten meine Frau und ich auf unserer Radreise kennenlernen: Palazzolo Acreide, Modica, Scicli und Noto.
AUSSICHTSREICHE BAROCKJUWELEN
Diese Lage! Diese Ruhe! Vor uns öffnet sich das griechische Theater von Palazzolo Acreide. Oberhalb der zwölf Sitzreihen mündet das Grau glatt geschliffener Steine in eine blühende Wiese. In der Ferne, weit im Nor-den, leuchtet der 3.357 Meter hohe, schneeüberzuckerte Kegel des Vulkans Ätna.
Monika und ich sind in den Gebirgszug des Monti Iblei gereist. Er erhebt sich im Südosten Siziliens. Wir spazieren zu den Leihrädern, treten in die Pedale und folgen dem leicht bergab führenden Sträßchen ins Val di Noto. Die Landschaft schlägt sofort in ihren Bann. Stein-mauern rechts und links des Asphalts fassen Weideflächen und Olivenbäume ein. Die milde Luft ist erfüllt vom Duft der Wildkräuter und Blumen, die wie bunte Farbtupfer das offene Hügelland überziehen.
Abends, als die Schatten nach der Niederung greifen, ist mit Modica das zweite Barockjuwel erreicht. Wir halten am Aussichtspunkt Collina dell’Itria. Unten ziehen sich, vom Licht der tiefstehenden Sonne in Szene gesetzt, dicht aneinandergebaute Häuser die umliegenden Hänge hinauf. Nach dem Erdbeben haben die Bewohner neue Straßenzüge angelegt, Kirchen sowie schmucke Palazzi errichtet. Wohin wir den Kopf drehen, sehen wir Barockelemente, Fabelwesen und ausladende Balkone.
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