Karibikblaues Meer, ein neues Mantra und leider auch Müll: Das alles findet Sabine Zaugg nördlich des Polarkreises, während sie mit Kajak und Zelt auf einer geführten Tour von Insel zu Insel gepaddelt ist.
Wir treffen uns im schummrigen Dachstock unserer Unterkunft in Kabelvåg. Kosta, der Organisator der Reise auf die Lofoten, schaltet den Beamer ein und stellt eine Leinwand auf. Knapp 24 Stunden vorher hat er mich am Flughafen in Leknes abgeholt. Zur Begrüßung gab es eine herzliche Umarmung. Wir haben uns bislang nur zweimal per Videokonferenz gesehen und ich staune, wie groß der bärtige Deutsche mit ukrainischen Wurzeln in Wirklichkeit ist.
Jetzt sitze ich mit den anderen auf alten Sofas und Schaukelstühlen im Kreis. Fünf Frauen und fünf Männer zwischen Mitte 20 und Mitte 40 blicken gespannt zur Tür. Wir warten auf Kristian, unseren Tourguide. Er ist der Einzige, den wir bislang nicht persönlich getroffen haben. Wir anderen lernten uns heute im Verlaufe des Tages kennen. Einige kannten sich bereits von früheren Reisen.
Die Gruppe besteht zur Hälfte aus »FernWind«-Mitgliedern. Kosta, der richtig Konstantin Sergijenko heißt, gründete FernWind vor fünf Jahren. Die junge Commu-nity organisiert Expeditionen und verwirklicht so kollektive Reiseträume. Und weil sich auch andere von den FernWind-Touren angesprochen fühlen, schließen sich der Gemeinschaft immer neue abenteuerhungrige Menschen an. So wie ich.
Wir warten nicht lange. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht kommt er zur Tür herein und stellt sich als Kristian Louis Jensen vor. Seine Mutter ist eine Inuit aus Grönland, sein Vater Norweger. Kristian lebt seit über zehn Jahren auf den Lofoten und kennt die Berge und Fjorde wie kaum ein anderer. Dank seines Wissens können wir diese Tour überhaupt machen. Eine Woche abseits der Zivilisation, unterwegs mit Kajak und Zelt und einer Mission: Müll sammeln!
Kristian zeigt uns auf der Leinwand, was uns erwartet. Er erzählt von unbewohnten Inseln, auf denen wir übernachten würden. Er erklärt, wie wir den angeschwemmten Plastikmüll einsammeln und was wir in den nächsten zwei Trainingstagen über das Qajaq lernen würden. So nennt er das Kajak auf Grönländisch. Nebst der Paddeltechnik würden wir auch das Worst-Case-Szenario üben: Aussteigen unter Wasser. Denn hier oben, 100 Kilometer nördlich des Polarkreises, müssen wir bei der rauen See mit allem rechnen.
Dann spricht der 33-Jährige über das Wetter, und seine dunklen Augen strahlen: »Ich habe geweint, als ich heute Morgen die Wetterprognose sah. Vor Freude! Das Wetter ist auf unserer Seite.«