Fast scheint es, als würden die endlosen Wälder, die einsamen Seen und die weiten Moore in Finnisch-Lappland darum wetteifern, wer die imposantere Kulisse zu bieten hat. Wandernd kommt man der nordischen Wildnis Schritt für Schritt näher.
Die Landschaft findet einfach kein Ende: Vorne Hügel, Sumpf und Fichten so weit das Auge reicht, im Rücken die riesige Wasserfläche des Kitkajärvi-Sees und die weiten Wälder dahinter. Zusammen mit Tommi Kallberg stehe ich auf dem baumlosen, 465 Meter hohen Gipfel des Riisitunturi-Fjälls, lasse das Bilderbuch-Panorama Finnisch-Lapplands auf mich wirken und versuche die Frage zu klären, ob es hier länger als anderswo dauert, bis sich Himmel und Erde am Horizont treffen?
Vom markanten Eingangstor am Parkplatz aus, gut eine halbe Stunde Autofahrt entfernt von Ruka durch nicht enden wollenden Wald, war es nur noch ein kurzer Aufstieg und schon bald machten die Fichten Platz für eine grandiose Rundumsicht. Tommi, der 26 Jahre lang bei einer IT-Firma gearbeitet hat, war während der Corona-Pandemie von den ständigen Videokonferenzen so genervt, dass er sich mit seiner Outdoorfirma »Oulangan Taika« selbständig gemacht hat und seither Touristen die finnische Natur näherbringt.
MITTAGESSEN AM LAGERFEUER
Am Soilu-Unterstand zeigt sich, dass Tommi nicht nur ein begeisterter Wanderer, sondern auch ein begnadeter Outdoor-Koch ist. »Das Gute an Tagestouren: Es kommt nicht so aufs Gewicht an wie beim Trekking«, sagt er verschmitzt, zieht eine gusseiserne Pfanne aus dem Rucksack und stapelt Zutat um Zutat fürs Mittagessen auf der Bank neben der Feuerstelle auf. Jetzt noch ein wenig Holz hacken und innerhalb kürzester Zeit brutzeln selbstgemachte Falafel aus Roter Beete und Brotbohnen, wilder Brokkoli, Nektarinen, Nüsse und Couscous über den Flammen. Das eigentliche Highlight aber kommt zum Schluss: »Für das Dessert habe ich dir einen echten Klassiker der lappländischen Küche mitgebracht. Leipäjuusto bedeutet so viel wie Brotkäse. Dazu gibt es Moltebeerenmarmelade, die ich selbst eingemacht habe«, kündigt Tommi an.
Auf dem Rückweg zum Auto machen wir noch einen Abstecher zum Ikkunlampi, dem »natürlichen Infinity-Pool« des Riisitunturi-Nationalparks. In der Tat liegt die Oberfläche des kleinen Teichs zwischen den beiden Gipfeln Riisitunturi und Pikku Riisitunturi so blank da, dass die Wolken einen Kopfstand inmitten der Landschaft zu machen scheinen. »Weißt du eigentlich, warum die Bäume hier so kerzengerade sind?«, will Tommi wissen und beantwortet die Frage gleich selbst: »Die schlanken Kronen der Fichten halten ein Gewicht von bis zu 3.000 Tonnen aus. Wir haben hier über 200 Wintertage im Jahr und sonst würden die Bäume unter der Last der dicken Schneemassen zusammenbrechen«.
Webcode #6700