Urkräfte und Zauberberge – Die Via Silenzi entführt in eine stille Bergwelt

Das Val S-charl hat sich eine Unberührtheit bewahren können, die ihresgleichen sucht. Weil das Unterengadiner Tal nicht im angrenzenden Schweizer Nationalpark liegt, darf man es bewandern, genießt dabei aber eine ähnliche pure Natur und teilt im Winter mit nichts als den Wildtieren die Wege. Eine aufregende Schneeschuhtour hinüber ins Val Müstair, vorbei an Naturdenkmalen und magischen Plätzen wie den God da Tamangur, den höchsten Arvenwald Europas. So geheimnisvoll wie die rätoromanische Sprache, die wie aus einer entrückten Zeit erscheint.

TEXT/BILDER: IRIS KÜRSCHNER

»Da vender« – zu verkaufen, prangt an einem dieser schmucken, uralten Engadiner Häuser, die sich dicht um den kleinen Platz drängen. Hätten wir das nötige Kleingeld, wir würden zugreifen. Kein schlechter Ort zum Leben, wo vor der Haustür »Funtana Sotsass, alkalischer Eisensäuerling«, verrät das angebrachte Messingschild. Gesund müssen die Einheimischen sein, die sich hier in Scuol Sot, dem unteren Dorfteil des Unterengadiner Hauptorts, täglich ihre Flaschen füllen. Weiter oben am Hang wird mit dem heilbringenden Wasser fleißig gekurt, äußerlich wie innerlich.

Uns zieht es in die Gebirgstäler südlich des Inn. Auf der »Via Silenzi« wollen wir ins Münstertal wandern, eine dreitägige Schneeschuhtour vom Feinsten, durch eine stille Bergwelt am Rande des Schweizer Nationalparks.

PER ROSS ZUM START DER TOUR
Nach S-charl ins tiefe Herz der Sesvennagruppe kommt man im Winter nur zu Fuß oder per Pferdekutsche. Zwei kräftige Rappen ziehen das rund 1.000 Kilo schwere Kufengefährt, als ob nichts wäre. Pferde können bis zu ihrem Eigengewicht ziehen, in diesem Fall pro Ross an die 600 Kilo, sagt Victor. Dem lebhaften Kutscher fällt an jeder Kurve dieser nostalgischen Anreise eine Anekdote ein. »Seht ihr da oben am Kamm die einsame Arve? Wir nennen sie den Hexenbaum, weil ihr zweiter Wipfel im Wind winkt, als sei es ein Arm.«

»Und hier«, die Kutsche knirscht gerade am spektakulären Abbruch von Sasstaglia vorbei, »ist einer deutschen Familie der Bär M 13 begegnet.« Weil der sich gerne an Straßen aufhielt und vor Menschen keine Scheu zeigte, deklarierte man ihn zum Problembär und erlegte ihn schließlich im Februar 2013.
Victor weist in die Tiefe. Der Blick fällt in den Schlund der Clemgia. Die aus dem Flussschotter herausmodellierten Erdpyramiden bei Sasstaglia sind nicht zu übersehen. Jenseits liegt das Nationalparkgelände, für Wintertouren tabu. Doch das steile Felsgelände wäre eh nicht geeignet. Das obere Val S-charl, wo es für Tourengeher erst interessant wird, befindet sich außerhalb des Nationalparks. Nur die Wildruhezonen müssen beachtet werden, was angesichts der an den wichtigsten Punkten angebrachten Übersichtspläne kein Problem darstellt.

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