Auf dem Teppich bleiben – Skitouren im Kleinwalsertal

Weites Skigelände in grandiosen Landschaften, moderne Infrastruktur, fortschrittliche Naturschutzkonzepte: Das am Alpenrand gelegene, schneesichere Kleinwalsertal bietet Skitourenspaß auf hohem Niveau.

TEXT: KATHARINA BAUS / BILDER: FRANK DRECHSEL

Abfahrtsgenuss im Kleinwalsertal« steht unter dem Bergpanorama meines Kalenders von 1995, der etwas vergilbt im Gartenhaus hängt. Jedes Mal, wenn ich dort hineingehe, bleibt mein Blick an den mit Pulverschnee überzogenen Steilhängen rund um den Hohen Ifen kleben. So bin ich vor der Anreise gespannt, ob die alpine Szenerie mit dem Kalenderfoto mithalten kann.

»Oh jesses«, entfährt es Berg- und Skiführer Uli Ernst von der Bergschule Kleinwalsertal, als wir am Hohen Ifen die ersten Bögen ziehen. Mein Gesäß hängt zu weit hinten, die Ski haben die Kontrolle über mich, und nicht ich über sie – beim Skifahren im freien Gelände ist Übung gefordert. Uli Ernst ist im Talort Riezlern aufgewachsen. Seit 1988 arbeitet der gelernte Schreiner für die Bergschule Kleinwalsertal –ein lokales Urgestein also. »Neben den rund 130 Pistenkilometern im Skigebiet Oberstdorf-Kleinwalsertal ist das Gebiet auch ein Paradies für Tourengeher«, prophezeit er.

In den österreichischen Alpen gelegen, genauer im Bundesland Vorarlberg, gehört das Hochgebirgstal zur Gemeinde Mittelberg. Wer in Kempten auf die B19 abbiegt und bei Oberstdorf die deutsch-österreichische Landesgrenze überquert, landet im Kleinwalsertal. Rund 16 Kilometer misst das Kerbtal, das nur von Bayern aus zugänglich ist. Riezlern, Hirschegg, Mittelberg und Baad heißen die Orte ab dem Taleingang bei Oberstdorf, und schon jetzt, kurz nach der Anreise, wirkt das Kleinwalsertal wie eine abgeschiedene Siedlung: Umrankt von den Walsertaler Bergen im Norden und Süden, eingebettet in die Allgäuer und Lechtaler Alpen im Osten, begrenzt durch den Bregenzerwald im Westen.

BILD: FRANK DRECHSEL

Rund um den Hohen Ifen als imposanten Wächter des Tals, bieten auch das Walmendingerhorn (1.990 m) oder der Große Widderstein (2.536 m) zahlreiche Skitourenmöglichkeiten. Schon vor über hundert Jahren waren hier Bergschrate mit langen Holzbrettern und Lodenhosen unterwegs. E. A. Pfeifer schwärmte 1956 in seinem Buch »Das Kleine Walsertal, ein Alpenjuwel«: »Wer einmal im Winter im Kleinen Walsertal war, kommt immer wieder. Er träumt das ganze Jahr von den Tagen und Wochen, die er dort verbrachte, zumal man dort nicht hinter der Welt, sondern mitten in ihr ist, in der Skiwelt nämlich.« »Eine Explosion der Begeisterung«, denke ich. Doch wie präsentiert sich das Tal heute? Ich werde es erfahren.

ANREISE
Das Kleinwalsertal ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Pkw sehr gut erreichbar. Mit der Bahn bis Oberstdorf, weiter mit dem Walserbus ins Kleinwalser-tal. Mit der Gästekarte ist der Bus gratis. Alle Ausgangspunkte der Skitouren lassen sich mit dem Walserbus bequem erreichen.

ÜBERNACHTEN: NATURHOTEL CHESA VALISA
Das Vier-Sterne-Superior-Naturhotel Chesa Valisa sorgt mit natürlichen Baustoffen wie Holz und Lehm für
ein gesundes Raumklima. Im Alpin-Spa des Wellnesshotels in Hirschegg findet man Entspannung und Regeneration, lässt die Seele baumeln und tankt neue Energie.
naturhotel.de

SKITOUREN
Die rund 40 Berggipfel, die das Klein-walsertal umgeben, bieten zahlreiche Skitouren: von langen Marathontouren bis hin zu kurzen Aufstiegen findet man hier Varianten in allen Levels. Die Hauptgebiete sind der Talschluss in Baad und das Schwarzwassertal mit seinen Tourenoptionen rund um den Hohen Ifen.

NATUR BEWUSST ERLEBEN
Mit der Initiative »Natur bewusst erleben« hat das Kleinwalsertal Lösungen entwickelt, um den wachsenden Druck auf sensible Ökosysteme zu reduzieren. Mit einem umfangreichen Lenkungs-konzept, Informationstafeln, einem Verhaltenskodex und durch ein Ranger-Team vor Ort werden Wintersportler zum respektvollen Umgang mit der Natur informiert.
Mehr über die Initiative: kleinwalsertal.com/natur-bewusst-erleben

LITERATUR
• Skitourenführer »Allgäuer Alpen«
(Panico; ISBN 978-3-95611-183-9; 29,90 Euro)
• »Die schönsten Skitouren der Allgäuer und Lechtaler Alpen« (Bruckmann; ISBN 978-3-7654-4571-2; 19,95 Euro)

INFOS IM NETZ
Informationen zu Übernachtungen, Winteraktivitäten, Wellnessmöglichkeiten und Co. bietet die Website von Kleinwalsertal Tourismus: kleinwalsertal.com

ABFAHRTSSPASS AM HOHEN IFEN
Um Zeit zu sparen, schummeln wir: Mit dem Ifenlift geht es zunächst über die blaue Piste auf die Gottesackerseite am Hohen Ifen. Bereits bei der Zufahrt ins Kleinwalsertal sticht der Hohe Ifen als formschöner Gipfel aus den umliegenden Bergen heraus. Seine markante, schiefe Ebene bricht nach Süden mit einem kilometerbreiten Felsriegel ab, der in den Sommermonaten zahlreiche Sportkletterer an die Wände lockt.
An der Nordseite, wo wir unterwegs sind, sticht das Gottesackerplateau ins Auge. Mitten in der weitläufigen Karstfläche befindet sich das sagenumwobene Hölloch, ein weitverzweigtes Höhlenlabyrinth mit Ganglängen von über zwölf Kilometern.

BILD: FRANK DRECHSEL

Der Wind zerrt an der Jacke, die Landschaft ist – je nach Hangexposition und vorherigen Windverhältnissen – mit einem Guss aus komprimiertem Schnee oder feinem Pulver bedeckt. Die Mütze noch mal tiefer ziehen, den Rucksack festschnallen. Nach einem Schluck aus der Thermoskanne blicke ich zum Horizont und entdecke in der Ferne den Bodensee. Der Blick schweift nach links. Latschenkiefern ragen aus dem Tiefschnee. Fichten verteilen sich quer über die Hochfläche, die auf allen Seiten von Kalkfelsen eingerahmt wird, als wären es Schutzmauern. Erstaunlich, wie ruhig es hier ist, gerade mal einen Kilometer Luftlinie entfernt vom belebten Skizirkus des Pistenbetriebs am Fellhorn und der Kanzelwand. Ist es hier nur heute so einsam, weil der Wind so stark pfeift?

»Das Kleinwalsertal ist ein beliebtes Gebiet für Tourengeher. Aber auf Skitouren will ich am liebsten nur meine eigene Spur sehen und die von den Wildtieren«, sagt Ernst. Wenn es nach ihm ginge, dürften die Berge so bleiben, wie sie sind: rau und wild. Um die Ästhetik der geschlossenen Schneedecke nicht zu ruinieren, lautet sein Befehl »parallel abfahren«, und meint damit, anders als erwartet, nicht die Ski an den Füßen, sondern das enge Nebeneinanderfahren. »Sodass man hinterher im Hang ein schönes Muster sieht, den Teppich.«

Wir haben Glück, dass wir heute alleine unterwegs sind. Immerhin liegt das Kleinwalsertal mit rund 1,5 Millionen Übernachtungen an fünfter Stelle aller österreichischen Tourismusregionen.

SAGENUMWOBENER GOTTESACKER
Wir passieren den Gottesacker, eine unter Naturschutz stehende Karstlandschaft, hinter der die schräg gestellte Mauer des Ifen wuchtet. Für Geologen ein Spektakel. Im Sommer sieht man die Karren, tiefe Rillen an der steinernen, fast weißen Plateauoberfläche, die von Niederschlägen und der Schneeschmelze in den Kalk gefräst wurden. In weiten Wellen zieht sich die bizarre Felslandschaft auf einer Fläche von etwas mehr als drei mal drei Kilometern vom Hohen Ifen zu den Gottesackerwänden. Nicht umsonst haben die frühen Siedler den Namen Gottesacker gewählt, der einmal sehr fruchtbar gewesen sein soll, ein »Acker Gottes«. Der Legende nach stand hier einst ein großer Bauernhof. Doch der Bauer behandelte seine Knechte und Mägde schlecht, der Hof wurde verflucht, ein Blitz schlug ein. Das Gelände erstarrte zu Stein. Im Sommer setzen Wanderungen über das zerfurchte Gelände Trittsicherheit voraus. Dafür kommt man in den Genuss eines Terrains, das wegen seiner fehlenden almwirtschaftlichen Nutzung – im Kleinwalsertal eher ungewöhnlich – einen ursprünglichen Charme versprüht und an skandinavische Fjells erinnert. Eine weitere klassische Tourenabfahrt führt hier hindurch: Vom Mahdtalhaus der DAV-Sektion Stuttgart windet sich die ausgeschilderte Aufstiegsroute durch den Wald hinauf zum Toreck und zur Torscharte. Extra für Tourengeher wurde hier eine Schneise angelegt. Als Ausgleich haben ehrenamtliche Helfer andernorts junge Bäume in den alpinen Schutzwald gepflanzt.

BILD: FRANK DRECHSEL

Uli Ernst wedelt wie ein Filmstar Richtung Tal. Einzelne Sonnenstrahlen dringen immer wieder als dicke Lichtfinger zwischen der Wolkendecke hindurch. Dünenartig mutet die Schneeoberfläche an. Immer wieder wirbelt der Wind den trockenen Schnee auf, verwischt unsere Spuren. Es tut gut, die eiskalte Luft einzuatmen und in der Natur unterwegs zu sein, ohne Schnickschnack, mit Käsebrot, Tee und Lawinenausrüstung im Rucksack. Abwechslungsreiche Tourenoptionen in allen Levels bietet das Kleinwalsertal allemal: »Vom Walmendingerhorn kann man zur Litzescharte (1.870 m) zwischen den Ochsenhofer Köpfen aufsteigen und über die Nordrücken der Galtochsenhofalpe zur Auenhütte ins Schwarzwassertal abfahren«, sagt Ernst. Die Bilanz der Tour geht auf: Rund 250 Meter Aufstieg stehen circa 900 Höhenmetern Abfahrtsgenuss gegenüber.
Der Allgäuer Hauptkamm rückt ins Blickfeld. Bei klarer Sicht öffnen sich von hier auch Aussichten über das ganze Schweizer Alpenpanorama von der Schesaplana über die Tödi bis zum Säntis. Geografisch gehört das Kleinwalsertal zum Bundesland Vorarlberg, topografisch gesehen liegt es innerhalb der Allgäuer Alpen. Und aus kultureller Sicht ist es schwer einzuordnen: Die Nachkommen der echten Walser, das waren damals fünf Familien, die im 13. Jahrhundert über den Hochalppass von Schröcken nach Baad zugewandert sind, sprechen nämlich nicht wie typische Vorarlberger. Allerdings auch nicht wie klassische Allgäuer – ihr Akzent liegt irgendwo dazwischen.

DRAUSSEN BLEIBEN: WILDRUHEZONEN
Später, unterhalb der Baumgrenze, darf man nicht der Versuchung nachgeben, in der Falllinie bis nach unten zu wedeln. Hier haben die Wildtiere eine Ruhezone, die in einem weiten Rechtsbogen umfahren werden muss. Wem der Magen knurrt, macht einen Abstecher zur Schwarzwasserhütte.

Wie in Watte gepackt, reihen sich die Hausberge Grünhorn, Steinmandl und Hählekopf um die Hütte. Das Hochtal des Schwarzwasser ermöglicht drei beliebig kombinierbare Rundtouren: Eine führt zum Hählekopf, die andere über den Gerachsattel zum Neuhornbachhaus und Steinmandl. Bei der dritten Runde geht’s zum Grünhorn, das Richtung Baad lohnenswerte Abfahrten bietet. »Trotz Klimawandel kann man sich im Kleinwalsertal noch eine Weile auf Schnee verlassen, denn die Region gilt als Schneeloch«, verspricht man mir. Eine sichere Lawinenlage ist für alle Touren oberstes Gebot. »Grandios ist auch die Tour durch das Ochsenloch ins steile Kar, das in der Scharte zwischen Mittlerem und Südlichem Schafalpenkopf endet«, erzählt eine der mitreisenden Journalistinnen nachmittags beim Kaffee. »Von dort aus sieht man die nahen Allgäuer Hauptgipfel.«

»Diese Winterberge muss man genießen«, sagt Uli Ernst fasziniert, als wäre er zum allerersten Mal hier. Ich werde daran denken, wenn ich wieder ins Gartenhaus gehe und den Kalender sehe.

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Für Jeden Anspruch etwas dabei

»Egal, ob mit Gravelbike, Mountainbike oder E-Bike, genießen wird man die Gravel Austria auf jeden Fall«, stellt Sebastian fest. Oberösterreich ist mit vielen Trails und losem Untergrund möglicherweise eher für Mountainbikes geeignet. Die Strecke durch Tirol kann hingegen größtenteils sogar mit dem Rennrad befahren werden, während die Strecke in Niederösterreich rund 35 Prozent, in Vorarlberg rund 30 Prozent Gravelanteil hat. Auch Felix war durch Niederösterreich auf einem Gravelbike mit etwas breiteren Reifen und einer Federgabel unterwegs. Technisch sei es so gut fahrbar gewesen. »Wenig Straße, viele Feldwege, tolle Landschaft«, fasst Felix zusammen.

 

Kathrin, eine Outdoor-Bloggerin, die in den Niederlanden lebt, fuhr wiederum auf einem Reiserad mit Gravellenker von Ost nach West durch Tirol. Auch sie bestätigt: Österreich ist total auf Fahrradfahrer eingestellt. »Die Infrastruktur in den Kitzbühler Alpen und im Inntal ist hervorragend. Ich musste wenig vorplanen und habe immer spontan eine Unterkunft gefunden«, weiß sie zu berichten. Die Unterkünfte, die sie angesteuert hatte, verfügten über Werkstätten und Ski- bzw. Fahrradkeller. Da die Grenze nach Tirol auf einem Bergpass liegt, ist Kathrin in Zell am See im Salzburger Land gestartet. »Aus den 3.000 Kilometern Gesamtroute kann man sich diejenigen Abschnitte heraussuchen, die am besten auf die Kondition passen«, lobt sie. Aber auch die Jahreszeit und das Wetter können den individuellen Zuschnitt der Strecke beeinflussen.

Im Inntal kann es zum Beispiel sehr heiß werden. Der höchste Punkt der Strecke durch Tirol liegt um die 1.300 Meter und ist oft schon im frühen Herbst und bis Anfang des Sommers schneebedeckt. »Man lernt so unglaublich viel über das Land«, resümiert Kathrin. Sie war besonders beeindruckt vom schicken Ambiente in Kitzbühel. Die Essenz der Radtour durch Österreich war für sie, »dass man einfach in der Früh aufwachen und ohne viel zu planen losfahren kann und dabei weiß, dass man am Abend eine tolles Hotel finden wird und nicht in einer Sackgasse landet.«

Gutes Essen, tolle Landschaften, tolle Menschen und unendlicher Schotterspaß: Österreich ist wie geschaffen für das Graveln und die Gravel Austria die einzigartige Möglichkeit, das ganze Land auf zwei Rädern zu erleben.

Von See zu See durchs Salzburger Land

Im Folgejahr führte die Gravel-Route Sebastian durchs imposanten Salzburger Land von See zu See und von Wasserfall zu Wasserfall. Die Gravel Austria führt auf ihrem Rundkurs, der grob die Grenzen des Landes nachzeichnet, gleich zwei Mal durch das österreichische Bundesland. Sebastian fuhr von Saalbach zum Salzkammergut mit Auftakt auf einem aussichtsreichen Höhenweg. Flowig wurde es auf dem Asitztrail in Leogang. Später wartete nach jedem Anstieg ein Postkartenmotiv: Die Mandlwände am Hochkönig, die imposante Dachstein-Südwand, die Serpentinen der alten Postalmstraße im Tennengau sowie der Wolfgangsee und Fuschlsee.

Der südliche, rund 90 Kilometer lange Abschnitt, führt vom Großglockner nach Mittersill und dort zum Abschluss über den Pass Thurn insgesamt rund 900 Höhenmeter bergauf. Startet man die Gravel Austria im Nordwesten, am Bodensee, und fährt von West nach Ost, dann ist die Südvariante der Rückweg.
Im Anschluss an das Salzburger Land radelte Sebastian gleich weitere 450 Kilometer und mehr als 8.000 Höhenmeter durch Oberösterreich. Die Strecke, deren Gravelanteil knapp 30 Prozent beträgt und die sonst über asphaltierte Wege und Straßen verläuft, hat kaum einen ebenen Kilometer aufzuweisen. Lediglich entlang einer der vielen schönen Seen oder Flüsse kann man kurzzeitig durchatmen. Unbestrittene Höhepunkte sind der Mondsee im ersten Abschnitt der Tour sowie die Kulturhauptstadt 2024, Bad Ischl, die im letzten Drittel auf einem Abstecher erreichbar ist. Zwischendrin geht es auf einer Schleife durch das Innere Salzkammergut mit der Flussregion Traun, den Kalkalpen und seinen unzähligen kleineren und größeren Seen.

Das Innviertel, das man auf der Gravel Austria ebenfalls durchfährt, wirbt für sich mit der größten Dichte an Brauereien in Österreich. Durst hat man beim Auf und Ab in der hügeligen Landschaft definitiv immer. Besonders idyllisch ist auch der Abschnitt durch das Mühlviertler Granitland. Der abwechslungsreiche Wegemix durch den Böhmerwald verläuft zunächst an der österreichisch-tschechischen Grenze entlang und macht sogar einen kleinen Schlenker nach Tschechien. Mit der Überquerung der höchsten Passstraße Österreichs, dem Koblpass, schafft man den Sprung hinüber nach Niederösterreich.

Pässe, Dörfer und Flussradwege

Ganz anders war die Herangehensweise von Sebastian aus Hamburg, der diesen Sommer durch das Salzburger Land und Oberösterreich geradelt ist und somit Österreich von West nach Ost durchquert hat. Schon im Vorjahr hatte er die damals von der Österreich Werbung ganz neu eingerichtete Gravel Austria auf dem Abschnitt von Bregenz bis zum Traunsee ausprobiert. Seine Erlebnisse hat er in einer Folge seines Podcasts »Off the Path« präsentiert. »Ich war überrascht, wie unglaublich abwechslungsreich das Land ist«, erzählt er. Man radelt über Pässe, durch Dörfer oder auf Flussradwegen und ist dabei stets ganz nah an der Natur.

Sebastian hat seine Radreise im Gegensatz zu Felix ganz langsam angefangen. Am ersten Tag hatte er etwas über 20 Kilometer auf dem Tacho, dann etwas über 30 Kilometer, um am Ende seiner insgesamt 12-tägigen Tour mit insgesamt 1.400 Kilometern Strecke schließlich auch 100 Kilometer und rund 2.000 Höhenmeter am Tag zu schaffen. »Am dritten Tag gewöhnt sich der Körper daran«, stellte er fest.

»Dadurch, dass man jederzeit und überall Unterkünfte bekommt, kann man sich komplett an seine Fitness und das Wetter anpassen«, zeigt er sich begeistert. Auf dem Abschnitt von Bregenz bis zum Traunsee, hatte er lediglich in besonders touristischen Orten wie am Achensee, am Wolfgangsee oder in Bregenz Probleme bei der Unterkunftssuche. »In Oberösterreich wurde es ein wenig dünner und ich habe festgestellt, dass ich besser hätte planen müssen. Dennoch muss ich sagen, dass Österreich, was die Infrastruktur betrifft, ein Traum ist«, weiß der Podcaster zu berichten, der auf seinen Touren mit Hitze genauso wie mit Regen zu kämpfen hatte. Die Kombination aus teils steilen Anstiegen, losem Untergrund und wechselnden Wetterbedingungen macht jede Etappe zu einer Herausforderung. Besonders in den Alpen kann das Wetter schnell umschlagen, und plötzlich findet man sich in dichtem Nebel oder einem unerwarteten Regenschauer wieder. Je nach Abschnitt und Höhe kann man jedoch schon früh im Jahr fahren. Felix’ höchster Punkt auf der Tour lag zum Beispiel auf 1.400 Meter Höhe, wo ein eisiger Wind ihn erwartete.

Insbesondere die rund 260 Kilometer lange Strecke durch Vorarlberg, die Sebastian zur Hälfte gefahren ist, ist außerhalb der Sommersaison nur unter Vorbehalt zu empfehlen: Kops und das Ganifer Tal liegen sehr hoch und werden nicht geräumt. Bis Juni kann hier Schnee liegen, außerdem gilt der erste Abschnitt beim Stausee Kops als äußerst herausfordernd, da er bergab sehr steil ist. Dieses kurze Stück sollte bei Eisgefahr unbedingt geschoben werden. Nach dieser atemberaubenden Abfahrt rollt man dann aber entlang der Ill gemütlich bergab durch das Haupttal des Montafon und tritt dann wieder mit hoher Frequenz bergauf über das Laternsertal bis nach Übersaxen. Den anschließenden etwas steileren Abschnitt von Götzis hinauf zur Emser-Hütte, wo eine wunderbare Fernsicht bis zum Bodensee für die brennenden Waden entschädigt, kann man auch umfahren.

Auch der von Sebastian gewählte Abschnitt vom Bodensee aus beginnt knackig mit einem fordernden Anstieg von Bregenz in Richtung Pfänder, auf den eine spannende Gravel-Abfahrt in den Bregenzerwald folgt. Weiter geht es von Bizau nach Mellau und über das wunderschöne Hochplateau am Fuß der Kanisfluh nach Au. Nach Schoppernau beginnt der längste Anstieg der Tour in Richtung Warth.

Am letzten Tag sind die Beine eingefahren

Nach einem Ost- und einem Südschwenk verlässt die Gravel Austria Tour Niederösterreich, um bei St. Sebastian an drei einladenden Badeseen vorbeizuführen. Felix kühlte sich am Fluss-Strandbad in Hollenstein die heißgelaufenen Füße ab. Nur kurz, wie er betont, denn der sportliche Streckenzuschnitt, den er gewählt hatte (fünf Tage für 528 Kilometer), ließ nicht allzu viele Pausen zu. Von Hollenstein kann, wer sich dort doch länger aufhalten möchte, die Abkürzung über den Ybbstalradweg nach Göstling nehmen und damit einige Höhenmeter sparen.

Nach einem kurzen Abstecher nach Mariazell führt die Route dann entlang der Traisen Richtung Norden und weiter durch das Gölsental, die Region Elsbeere Wienerwald und durch den Biosphärenpark Wienerwald bis nach Klosterneuburg. Hier wird die Landschaft wieder sanfter, rollt man teilweise gemütlich dahin, während die Postkartenpanoramen an einem vorbeiziehen. »Es war malerisch mit den endlosen Fernblicken«, schwärmt Felix. Die Anstiege, so Felix, haben es in sich, aber die Aussichten lohnen sich jedesmal.

Besonders beeindruckend fand Felix das Wahrzeichen des Mostviertels, die barocke Basilika des Sonntagberges, die man auf einer Panoramastraße erreicht. Durch unberührte Wälder, über Bergrücken mit Traumaussichten und zahlreiche urige Dörfer geht der Weg weiter nach Nordosten und vorbei an Lilienfeld bis zur Donau bei Wien. Die Hauptstadt wird in einem großen Bogen im Süden umfahren, wobei ein Abstecher in die City sich durchaus lohnt. Für Felix und seinen Gravelpartner liegt der Vorteil der letzten Etappe genau darin, dass man sich zwar in der Natur aufhält, aber dennoch jederzeit in die Stadt abbiegen und die Tour somit flexibel beenden kann.

»Am letzten Tag waren die gröbsten Höhenmeter raus und die Beine eingefahren«, erinnert sich Felix an die letzte Etappe bis zur Grenze zum Burgenland. Hier hatte er trotz schlechter Witterung, Nebel und Regen besonders große Freude. Die Sinneseindrücke, Vogelstimmen, Gerüche nahm er intensiv wahr. Letztlich sind es die kleinen Genussmomente, wie das Füßekühlen in der Ybbs, die Nacht in Göstling, ein Stopp am See in Lunz, die sich auf dieser Tour tief in das Gedächtnis eingraben.

Knackige Anstiege mit tollen Aussichten

Vor allem die ständig wechselnden Landschaftseindrücke sollte man in Ruhe auf sich wirken lassen: Die Strecke durch das nordöstliche Bundesland startet in Liebenstein in der Gemeinde Liebenau, noch in Oberösterreich. Die Tour führt zunächst durchs Waldviertel, das als ehemaliger Bestandteil der sogenannten »Böhmischen Masse« als ältestes Gebirge Österreichs gilt. Mit ihren wilden Fluss- und Moorlandschaften, sanften Hügeln und dichten Wäldern, die von einem engmaschigen Netz an Waldwegen durchzogen werden, ist die Region ein Graveltraum. Mit stetem Auf und Ab tritt man entlang des Granit-Trails Richtung Donau. In Ybbs stößt man auf den Donauradweg, dem man hier bis nach Wien folgen könnte. Abenteuerlicher, wenn auch nicht so bequem ist es, den Umweg über die Schotterpisten und flowigen Trails der Gravel Austria zu nehmen.

Über Waidhofen an der Ybbs geht es nach Süden in den Natur- und Geopark Steirische Eisenwurzen. Die kulturhistorisch bedeutende Region, deren Namen sich von der jahrhundertelangen Tradition der Eisenverarbeitung und Eisenproduktion ableitet und die sich über Teile der Steiermark, Oberösterreichs und Niederösterreichs erstreckt, ist vor allem ein bekanntes Ziel für Mountainbiker. Mit dem Gravelbike hat man auf den Schotter- und Waldwegen zu Almen, Wildwasserflüssen und malerischen Bergdörfen sowie auf einigen anspruchsvollen Abfahrten aber genauso viel Freude.

Start/Ziel
z. B. Wien oder Innsbruck
Aufstieg
51.000 Hm
Strecke
3.000 km

Dauer
14–35 Tage

Beste Zeit
Frühsommer bis Herbst

CHARAKTER
Die Gravel Austria zeigt auf jedem Abschnitt und in jedem Bundesland (nur das Bundesland Wien wird ausgespart) einen anderen Charakter, so dass jeder die für seine Ansprüche passende Teilstrecke finden kann. Die Gesamtstrecke muss allerdings als sehr anspruchsvoll eingeordnet werden, da sie auf vielen Etappen ein sehr sportliches Höhenprofil aufweist. Die Länge der Etappen kann sehr individuell zugeschnitten werden, da sich überall viele Unterkunftsoptionen bieten. Die über 3.000 Kilometer lange Tour führt überwiegend über Schotterpisten; es sind aber durchaus auch längere Abschnitte auf verkehrsarmen Nebenstraßen sowie der eine oder andere Singletrail enthalten. Die abwechslungsreichen Streckenabschnitte führen durch einmalige Berg-, Wald- und Seenlandschaften. 14–35 Tage sollte man für die Gravel-Austria-Route einplanen.
to.austria.info/gravel

ÜBERNACHTEN
In der Komoot-Collection zu Gravel Austria und auf der Homepage der Österreich Werbung finden sich übrigens auch zu jedem Abschnitt Tipps für besonders fahrradfreundliche Unterkünfte.
austria.info/de/aktivitaeten/radurlaub-in-oesterreich/gravelbiken

ANREISE
Die größeren Städte entlang der Gravel Austria sind hervorragend mit dem Zug erreichbar. Nicht nur innerhalb Österreichs kommt man mit der Bahn gut von einer Etappe zur anderen. Auch von Deutschland aus gibt es sogar Direktverbindungen von München nach Innsbruck. Die Mitnahme von Fahrrädern ist in den Zügen der ÖBB grundsätzlich möglich. In Fernverkehrszügen muss man einen Fahrradstellplatz reservieren. Wien, Salzburg und Innsbruck erreicht man zudem auch mit dem Flugzeug.
oebb.at

BESTE ZEIT
Die beste Reisezeit für die komplette Tour ist der Sommer. Die tiefer gelegenen Abschnitte können auch im Frühjahr und Herbst befahren werden. Auf den Alpenpässen kann es dann jedoch noch/schon schneien. Im Sommer sollte man Unterkünfte vorbuchen.

ABSCHNITTE
Vorarlberg
Strecke: 250 km
Auf-/Abstieg: 6.260 Hm/6.590 Hm
Dauer: ca 3–5 Tage
Start/Ziel: Stausee Kops/Warth
Charakter: Der Abschnitt enthält ca. 30 % Gravel-Anteil. Die maximale Steigung liegt bei ungefähr 20 %. Der erste Abschnitt beim Stausee Kops gilt als herausfordernd, da er bergab sehr steil ist. Die Etappe ist erst ab Mitte Mai/Juni empfohlen, da höher gelegene Abschnitte bei Kops und im Ganifer Tal nicht geräumt werden.

Tirol
Strecke:
166 km
Auf-/Abstieg: 3.260 Hm/2.160 Hm
Dauer: 2–3 Tage
Start/Ziel: Warth/Spielberghaus bei Kössen
Charakter: Die mittelschwere bis schwere Tour führt von Warth durchs Lechtal bis Ehrwald, dann durch das Gaistal und zuletzt anspruchsvoll durch das Karwendelgebirge und schließlich ins schicke und charmante Kufstein.

Salzburger Land
Strecke: 258 km
Auf-/Abstieg: 5.800 Hm/6.640 Hm
Dauer: 3–5 Tage
Start/Ziel: Spielberghaus bei Kössen/
St. Lorenz am Mondsee
Charakter: Der Gravelanteil der Strecke, die das Salzburgerland von West nach Ost quert und mit einem aussichtsreichen Höhenweg über Saalbach startet, beträgt rund 35 %, der Rest sind asphaltierte Wege und Straßen. Es gibt kaum flache Abschnitte. Der Wolfgang- und der Fuschlsee sind nur zwei von vielen Höhepunkten.

Oberösterreich
Strecke:
445 km
Auf-/Abstieg: 8.230 Hm/7.730 Hm
Dauer: 5–9 Tage
Start/Ziel: St. Lorenz am Mondsee/ Liebenstein
Charakter: Die schwierige Strecke durch Oberösterreich mit großem Anteil (30 %) an Schotter und einigen Singletrails startet fulminant am Mondsee. In einer Schleife geht es durchs Innere Salzkammergut und später über steile Abschnitte ins Mühlviertel. Besonders abwechslungsreich sind die Wege im Böhmerwald.


Niederösterreich
Strecke: 523 km
Auf-/Abstieg: 9.080 Hm/9.900 Hm
Dauer: 5–10 Tage
Start/Ziel: Liebenstein/Wien, Schwadorf
Charakter: Der Gravelanteil dieses schwierigen Abschnitts beträgt 35 %; Singletrails machen 10 % aus. Eine vielfältige Landschaft, abwechslungsreiche Wege, radkompetente Gastgeber werden auf der Strecke, die zunächst durchs Waldviertel führt, geboten. Entlang des Granit-Trails geht es Richtung Donau, später durch die Region Elsbeere Wienerwald und durch das Biosphärenreservat Wienerwald bis nach Klosterneuburg. Wien wird an der Stadtgrenze entlang im Süden umrundet.

Burgenland
Strecke: 347 km
Auf-/Abstieg: 3.160 Hm/3.060 Hm
Dauer: 3–6 Tage
Start/Ziel: Wien, Schwabdorf/Neustift
Charakter: Überwiegend befestigte Wege. Der Abschnitt bis Oslip ist flach und führt entlang des Naturpark Neusieder See-Leithaberg. Die Tour führt mit einigen Anstiegen kurzzeitig durch Ungarn. Der letzte Abschnitt ab Lockenhaus ist anspruchsvoller.

Steiermark
Strecke: 165 km
Auf-/Abstieg: 1.890 Hm/1.800 Hm
Dauer: 1–3 Tage
Start/Ziel: Neustift/Lavamünd
Charakter: Die Tour, die etwa 40 Kilometer über Schotter und 125 Kilometer auf Asphalt verläuft, führt entlang der burgenländisch-steirischen Grenze auf dem Themenradweg R12. Der Abschnitt durch die Südsteiermark bis nach Bad Radkersburg ist relativ eben. Über den Murradweg und die Südsteirische Weinstraße geht es weiter Richtung Slowenien und letztlich über die Grenze ins Drautal.

Kärnten
Strecke: 295 km
Auf-/Abstieg: 4.200 Hm/2.050 Hm
Dauer: 4–7 Tage
Start/Ziel: Lavamünd/Großglocknerpass
Charakter: Die Tour führt zunächst entlang des Drauradwegs, der zu 50 % geschottert, zu 50 % asphaltiert ist. Das letzte Drittel des Wegs führt über die Großglockner-Passstraße, was trotz des asphaltierten Untergrunds eine ernsthafte Herausforderung ist.

Salzburger Land (Rückweg)
Strecke: 87 km
Auf-/Abstieg: 890 Hm/2.130 Hm
Dauer: 1–2 Tage
Start/Ziel: Großglocknerpass/Thurn
Charakter: Der Abschnitt, der das Salzburger Land diesmal von Ost nach West quert, wird durch die Abfahrt auf der Großglocknerstraße eröffnet. Bis auf den Aufstieg nach Thurn am Ende ist das Radfahren hier eher gemächlich. Die Strecke führt durch einen längeren Tunnel, in dem ein Fahrradlicht erforderlich ist.

Tirol (Rückweg)
Strecke: 289 km
Auf-/Abstieg: 3.730 Hm/3.190 Hm
Dauer: 3–3‚5 Tage
Start/Ziel: Liebenstein/Wien, Schwabdorf
Charakter: Die Strecke, die Tirol von Ost nach West quer und überwiegend auf Schotter (50 %), aber auch über Singletrails (10 %) führt, beginnt mit einem knackigen Aufstieg zum Gauxjoch und einer anschließenden steilen Abfahrt auf losem Untergrund. Später führen gut ausgebaute Radwege und Straßenabschnitte ins Inntal. Über den Inntalweg geht es ohne Schwierigkeit nach Innsbruck. Ab Landeck wird es hügeliger und geht stets bergauf bis zum Stausee Kops auf 1.800 Meter Höhe.

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