Vom Allgäu aus ist Roland Wiedemann einmal quer durch Deutschland nach Schweden und Norwegen gereist –komplett mit dem E-Campingbus VW ID. Buzz. Er berichtet von Ladestopps, zauberhaften skandinavischen Seen und interessanten Begegnungen.
Seinen Akku aufzuladen, kann so schön sein. Am Ende des Rapetangveien, einem schmalen Sträßchen, das sich mal durch einen sattgrünen Wald, dann wieder durch imposante Felsformationen schlängelt und zu einer kleinen Ferienhaussiedlung unweit von Stabbestad an der südnorwegischen Riviera führt, ragen im Schatten von windschiefen Kiefern fünf schlanke Ladesäulen aus dem steinigen Boden. Durch die sich sanft im Wind wiegenden Äste schimmert das Blau des in der Augustsonne glitzernden Meeres. Kein Gedränge an den Ladepunkten, kein Ladekarten-Lotteriespiel, nur das Kabel am Elektrobus einstecken, bequem mit der Handy-App den Ladevorgang starten und dann loswandern. Geschenkt, dass es sich nicht um eine Schnellladesäule handelt. Es eilt ja nicht.
Zuerst führt der Weg durch Ferienhäuser in schnörkellos schickem Skandinavien-Look. Der Ausdruck »Cabine«, wie die Besitzer ihre großzügigen Wochenenddomizile selbst nennen, ist Zeichen nordischen Understatements. Kurzzeitig kommt da bei den Urlaubern, die seit drei Wochen auf knapp sechs Quadratmetern Wohnfläche im Elektro-Camper leben, schon ein bisschen Neid auf.
Später verläuft der einsame Pfad dann hoch über dem Meer, mit traumhaften Ausblicken auf die vorgelagerten Inseln im Skagerrak. Zwischendurch bietet sich in einem verlassenen Fischerörtchen ein erfrischendes Bad in der 18 Grad kalten Nordsee an. Zum Trocknen legt man sich auf die warmen Felsplatten und genießt dösend den skandinavischen Spätsommer – nur kein Stress. Knapp fünf Stunden mit Pausen wird die Wanderung auf dem herrlichen Küstenpfad gut 100 Kilometer südlich von Oslo dauern. Beim Einsteigen zeigt die Batterie-Anzeige im vollelektrischen Bus 90 Prozent an, was wieder für knapp 300 emissionsfreie Kilometer mit gutem norwegischem Ökostrom reicht. Besser und vor allem schöner kann man die Ladezeit nun wirklich nicht nutzen.
FAMILIENRAT TAGT BEIM STROMZAPFEN
Zugegeben, die meisten Ladeplätze auf dem 5.000 Kilometer langen Skandinavien-Trip – am Ende werden es über 20 sein – sind nicht annähernd so »hyggelig« wie das E-Auto-Idyll in Rapetangen. Häufig leitet das Navigationssystem den E-Bus auf dem Weg zur nächsten Ladesäule in ein Gewerbegebiet.
Wie schön wäre doch das Stromzapfen an einem der zauberhaften Seen in Småland oder mit Sicht auf einen spektakulären Fjord. Zwar lassen sich im Bordcomputer bestimmte Suchkriterien für den Ladepunkt wie die gewünschte Ladeleistung eingeben, die Option »Schöne Aussicht« fehlt allerdings leider noch. Daran müssen die Ingenieure dringend noch arbeiten.