Zwischen Bernina und Ortler liegt das zollfreie Livigno. Das hochalpine Dorf lockt mit verschneiten Loipen und einer besonderen Geschichte. Eine winterliche Tour führt auf Langlaufskiern die Via Forcola hinauf.
Der Wetterbericht hat nicht übertrieben: Nordföhn mit 90 km/h peitscht durch das Hochtal. Doch meine Frau Monika und ich wollen auf die Via Forcola. Eine Tour in die weiße Einsamkeit, die unter 70 Zentimetern Pulverschnee begraben liegt.
DUTY-FREE AUF SKI
Livigno? Nie gehört? Die wenigsten kennen das abgeschiedene Hochtal zwischen Bernina und Ortler. »Klein-Tibet« nennen die Einheimischen ihre Heimat auf 1.816 Metern Höhe, umgeben von majestätischen Gipfeln. Der Zollfreistatus prägt bis heute das Stadtbild. Parfümerien reihen sich an Spirituosenläden, Sportgeschäfte locken mit günstiger Markenware. Was Napoleon einst als Privileg für die arme Bergbevölkerung einführte, ist zum Magneten für Schnäppchenjäger geworden. Doch der wahre Luxus liegt in der Natur: 30 Kilometer gespurte Loipen durchziehen das Tal.
Livigno liegt in einem der höchstgelegenen bewohnten Täler Europas, eingerahmt von den Livigno-Alpen und der Bernina-Gruppe. Im Süden thront der 3.439 Meter hohe Monte Vago, östlich erheben sich die Gipfel der Ortler-Alpen. Die geologische Besonderheit: Das Tal verläuft nicht wie üblich in Nord-Süd-Richtung, sondern von Nordosten nach Südwesten.
SPORTLER-HIMMEL
Die Gemeinde steht bei Sportlern hoch im Kurs. Im Sommer nutzen Rennradler die hohen Passstraßen für ihr Training, Mountainbiker erkunden die alpinen Trails, und Läufer schätzen die Höhenlage für ihre Vorbereitung. Im Winter verwandelt sich das Tal in ein Paradies für Schneefans. Neben den Langlaufloipen locken präparierte Pisten, Freeride-Abfahrten und ein moderner Snowpark. Hier werden 2026 die olympischen Freestyle- und Snowboard-Wettbewerbe ausgetragen. Die Höhenlage von 1.816 Metern verspricht beste Schneebedingungen. Schon heute trainieren in Livigno internationale Teams.
Um kurz nach 10 Uhr geht es vom Hotel aus mit den Skiern in der Hand zur 200 Meter entfernten Loipe. Ab in die Bindung und schon knirscht der Schnee leise unter unseren Langlaufskiern. Gegen Mittag bricht die Sonne durch die graue Wolkendecke. Die Langlaufroute wechselt auf die Straße Via Forcola. Diese ist tief eingeschneit und zieht mit sanften Schwüngen dem gleichnamigen Pass entgegen. Der nächtliche Schneefall hat die Spur verdeckt, und wir mühen uns die von anderen Läufern gespurte Linie hinauf. Heute sind nur wenige unterwegs.