Dem Blick eröffnet sich immer wieder ein grandioses Panorama. Es ist, als ob die Natur gewaltige gelbe Blütenteppiche ausgerollt hätte. Die Mai-Sonne lässt sie vor dem Hintergrund des bläulich-weißen Himmels am Horizont geradezu erstrahlen. Die Rapsblüte im Frühjahr macht die ohnehin weiten Aussichten über idyllische Dörfer und kleine Städtchen zu einem ganz besonderen Erlebnis. Unser Wohnmobil scheint geradezu durch das Blütenmeer zu gleiten. In der »Alten Welt«, so die historische Bezeichnung der Region im Norden der Pfalz, ist diese im wahrsten Sinne des Wortes noch in Ordnung.
Faszination Bilderbuch-Landschaft
Über die Hügel zwischen den Flusstälern des Glans, der Lauter und der Alsenz erstreckt sich eine wahre Bilderbuch-Landschaft. Warum die Region „Alte Welt“ genannt wird, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Vermutlich ist der Name im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert geprägt worden. Seinerzeit entstanden Bahnlinien längs der drei Flüsse, wobei das Gebiet dazwischen ohne Anschluss blieb. Die »Neue Welt« galt deshalb als modern, während in der „Alten Welt“ die Zeit stehen geblieben schien. Mehr darüber erfahren lässt sich im »Alte Welt Museum« in Nußbach. Die Region befindet sich mit dem Namen in guter Gesellschaft. Denn »Alte Welt« werden auch die Kontinente der Erde genannt, die vor der Wiederentdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 bekannt waren: Afrika, Asien und Europa.
Zu Fuß und mit dem Rad unterwegs
Unser Aufbruch in die »Alte Welt« beginnt in Waldgrehweiler: Nach einer erholsamen Nacht auf dem Wohnmobil-Stellplatz direkt am Wanderparklatz am »Alten Wasserhaus« und einem ausgiebigen Frühstück werden die Fahrräder aufgeladen. Heute werden wir zur Abwechslung in die Pedale treten. Am Tag zuvor hatte schon eine Wanderung – gleich sechs Rundwege beginnen direkt am Stellplatz – durch das Reich von Uhu, Schwarzstorch und Mufflon für Entspannung pur gesorgt. Wälder und Wiesen machen die »Alte Welt« zu einer ausgesprochen abwechslungsreichen Oase der Ruhe, die Wanderer und Radfahrer in eine andere Zeit versetzt.
Wo sich alte und neue Zeiten verbinden
Ein Etappenziel ist die Wasserburg in Reipoltskirchen, zu deren Füßen sich auch ein Wohnmobil-Stellplatz ansteuern lässt. Sie gilt als »markanteste und besterhaltene pfälzische Tiefburg«. Im 12. Jahrhundert diente sie wohl dazu, das Odenbachtal abzusichern. Heute sorgen ein Restaurant, ein Standesamt und eine Malschule für neues Leben in historischem Gemäuer. Hier kombiniert der Skulpturenweg, der Teil der Europäischen Skulpturenstraße des Friedens ist, als »Galerie im Grünen« das Erlebnis von moderner Kunst und Natur. Hier verbinden sich alte und neue Zeiten. Dies gilt auch für eine Rast im Gasthaus »Zum blauen Löwen« im Ransweilerer Ortsteil Neubau. Seit über 250 Jahren werden hier Gäste bewirtet. Wo früher die Ransweiler Kerwe oder Tanzveranstaltungen im großen Gasthaussaal gefeiert wurden, treffen sich noch heute Einheimische und Gäste. Der Tag endet dann dort meist bei einem guten Essen. Dabei beginnt man, sich wieder Zeit für sich zu nehmen.
Zeitmesser als Schmuckstücke
Apropos: »Zeit haben für die Zeit« lautet das Motto im »Museum für Zeit« in Rockenhausen. Zu erleben ist es in einem denkmalgeschützten Hof mit zwei Scheunen. Über 50 Großuhren und eine Vielzahl von Sand-, Wasser- und Sonnenuhren lassen keinen Zweifel daran, dass die Zeit stetig verrinnt. Gleichzeitig entsteht jedoch ein Gefühl dafür, wie sich Zeit sinnvoll füllen lässt und warum es durchaus lohnend sein kann, diese auch mal zu »verplempern«. Ein besonderes Schmuckstück ist ein weltweit einmaliger Zeitmesser, der eigens fürs Museum entworfen wurde: die Astronomie-Uhr. Weil sie mehr kann, als die Zeit anzuzeigen, sollte man sich, dem Motto des Museums folgend, Zeit für das Wunderwerk nehmen. Deshalb heben wir uns diesen Besuch für den nächsten Tag auf.
Beeindruckender Ausblick
Von Reipoltskirchen fahren wir weiter Richtung Schallodenbach, immer wieder vorbei an in der Sonne leuchtenden Rapsfeldern. Bei Fahrten durch die »Alte Welt« lässt sich so leicht die Zeit vergessen. Dies beginnt schon im Wohnmobil, wenn die Straßen zwischen den Dörfern und Städtchen zu Panoramarouten werden. Beim Ort Seelen lohnt sich ein Abstecher zum Sattelberg, der auch liebevoll das »Dach« der »Alten Welt« genannt wird. Mit 457 Höhenmetern ist er neben dem Donnersberg (687 Meter) eine der höchsten Erhebungen der Nordpfalz. Ein Aussichtsturm eröffnet einmal mehr einen beeindruckenden Ausblick. Hier wird einem vor Augen geführt, wie malerisch sich die Region präsentiert. Dies gilt auch, wenn während des Durchfahrens der Lautertalschleife die Landschaft beim Blick aus dem Wohnmobil vorbeizieht. Richtig tief eintauchen in die Schönheit der Natur lässt es sich, wenn man aufs Fahrrad steigt. Eine große Auswahl an aussichtsreichen Strecken – von leicht bis sportlich anspruchsvoll – macht dies unkompliziert möglich. Und im Frühjahr sorgen die gelben Blüten des Raps zusätzlich für Attraktivität.
Lohnenswertes Lichtspiel
Mit dem Rad oder aber zu Fuß, zum Beispiel auf dem Planetenweg, lässt sich zwischen Heiligenmoschel und Schallodenbach ein weiterer Höhepunkt erreichen: der Reiserberg. Zum einen im Wortsinn, weil der Berg 460 Höhenmeter misst. Zum anderen, weil man dort auf zwölf Obelisken aus Sandstein stößt. Jeder Stein ist zweieinhalb Meter hoch und etwa eineinhalb Tonnen schwer. Manche sprechen deshalb vom Stonehenge der Pfalz. Es handelt sich um eine begehbare Sonnenuhr, die dort erst vor wenigen Jahren errichtet wurde. Ein lohnenswertes Lichtschauspiel mit manchmal magischen Farben erlebt hier, wer zum Sonnenauf- oder -untergang dort ist. Gerade an der Sonnenuhr kommt es eben auf den richtigen Zeitpunkt an. Jeder Schritt oder jeder Tritt in die Pedale bis zum Gipfel lohnt aber auch zu jeder anderen Tageszeit. Denn bei schönem Wetter kann man von hier aus den Donnersberg, den Haardt-Rand, das Landstuhler Bruch und den Königsberg sehen. Womit wir wieder beim grandiosen Panorama wären. Diesmal sogar im 360-Grad-Live-Modus. Und in der Alten Welt hat dafür alle Zeit der Welt, wenn man sie sich nimmt.