Blütenpracht und Bergpanorama: Südtirol verspricht im Frühling ein Meer aus rosa Apfelblüten mit schneebedeckten Gipfeln am Horizont. Dazwischen laden Dörfer und Weinberge zu Entdeckungen ein.
Angesichts des scheinbar nicht enden wollenden, klamm-grauen Winters in Norddeutschland wächst die Sehnsucht nach Licht und Wärme. Warum also nicht dem Winterblues ein Schnippchen schlagen und der Sonne entgegenfahren? Mit seinen rund 300 Sonnentagen auf der Südseite der Alpen scheint uns Südtirol genau der richtige Ort zu sein, um der heimischen Frühjahrstristesse zu entfliehen. Bereits beim ersten Zwischenstopp auf dem langen Weg in den Süden scheint der Plan aufzugehen: Als wir nach der Ankunft auf dem Wohnmobilstellplatz am Donaubad in Ulm die Schiebetür des Campers öffnen, können wir unser Glück kaum fassen: T-Shirt-Wetter!
Ordentlich ins Schwitzen kommen wir dann am nächsten Tag in Ehrenberg. Aber das liegt weniger an den Temperaturen – obwohl die Sonne von einem blauen Himmel lacht –, als viel mehr an der spektakulären Hängebrücke, die sich bei Reutte in Tirol über die B 179 spannt. Statt des schnellen Wegs über die Brennerautobahn haben wir uns für die malerische Fernpass-Route entschieden, die Bayern mit Österreich verbindet. Diese lockt neben den landschaftlichen Reizen mit einem, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Halt. Kleiner Wermutstropfen für zukünftige Reisen: Das österreichische Bundesland Tirol hat den Ausbau der Strecke, die von Landeck durch das Inntal über den Reschenpass in den Südtiroler Vinschgau führt, beschlossen und will ab 2028 Maut kassieren.
SCHWEBEND ÜBER DEM ABGRUND
Die filigrane Stahlseilkonstruktion, die sich in einer luftigen Höhe von 114 Metern zwischen der Ruine Ehrenberg auf der einen und dem Fort Claudia auf der anderen Seite aufspannt, wirkt schon vom Parkplatz aus beeindruckend und als wir den ersten Schritt auf die 406 Meter lange Hängebrücke setzen, scheint sich unter unseren Füßen der Abgrund zu öffnen. Die Highline 179 gilt nicht umsonst als eine der spektakulärsten Attraktionen Tirols.
Das leichte Schwanken verstärkt das Gefühl, zwischen Himmel und Erde zu schweben, aber nach den ersten Schritten weicht die Anspannung einem ehrfürchtigen Staunen. Hinter der Burg Ehrenfeld ragen die schneebedeckten Alpengipfel in den azur-blauen Himmel und die Landschaft unter unseren Füßen wirkt wie eine Modelleisenbahn.
An eine karge Mondlandschaft dagegen erinnert der Anblick des Reschensees, den wir am Abend erreichen und wo wir auf dem Parkplatz an der Talstation der Schönebenbahn übernachten. Statt des bekannten aus dem Wasser ragenden Kirchturms von Graun breitet sich der trockengefallene Seegrund vor uns aus. Ein Passant bemerkt unsere ungläubigen Blicke und klärt uns auf: »Das Wasser aus dem Stausee wurde für Bauarbeiten an der Straße abgelassen. Sie soll vom Berghang in Richtung See verlegt werden, um die Gefahr von Steinschlag, Lawinen und Murren zu beseitigen.«