Die Aare-Route ist die Nummer acht im Routennetz Veloland Schweiz. Vom Grimselpass bis zum Rhein führt sie auf rund 300 Kilometern entlang des größten Schweizer Flusses und offenbart im Oberlauf grandiose Gebirgspanoramen. Unsere Autorin ist der Aare auf einer Familientour von Solothurn bis zur Aareschlucht flussaufwärts gefolgt – und das hat einen guten Grund.
Plötzlich sind sie da, die schneebedeckten Bergriesen der Berner Alpen. Das Massiv mit dem Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau taucht ganz unvermittelt auf, kurz nachdem wir aus der Bundeshauptstadt Bern hinaus und wieder aufs Land geradelt sind. Was für ein Alpenpanorama, umrahmt von blauem Himmel und maifrischem Grün! Spätestens jetzt ist klar, dass wir die richtige Fahrtrichtung gewählt haben, denn von nun an radeln wir mit Blick auf diese einzigartige Bergkulisse – solange das Wetter mitspielt.
Als das Massiv der Berner Alpen erstmals so plastisch in Erscheinung tritt, sind wir bereits vier Tage unterwegs. Eher unfreiwillig beginnt unsere Familientour nicht an der Aare in Solothurn, sondern im baden-württembergischen Singen. Denn die Fahrradstellplätze im DB-Fernverkehr sind ausgebucht, sodass eine Alternativroute mit der Regionalbahn her muss. Von Singen aus radeln wir nur wenige Kilometer bis zur Schweizer Grenze und steuern unsere erste Unterkunft an, einen Eselhof.
Das »Schlafen im Stroh« ist in der Schweiz eine relativ günstige Übernachtungsmöglichkeit und für Kinder sowieso eine tolle Sache. Nachdem wir die Umgebung ausgiebig erkundet und Hasen und Esel gefüttert haben, servieren uns die Gastgeber auf dem Dachboden über dem Eselstall ein schmackhaftes Käsefondue. So genießen wir den ersten Abend auf Schweizer Boden gleich mit einem kulinarischen Highlight. Direkt neben dem Küchenraum wartet das gemütliche Strohlager mit zahlreichen Stoffeseln und wir kriechen müde und voller Vorfreude auf die Tour in unsere Schlafsäcke.
Früh am Morgen werden wir von lauten »I-aah-Rufen« und Hufgetrappel geweckt. Frühstückszeit. Ein Blick aus dem Fenster zeigt schnell, dass das Wetter umgeschlagen ist. Es ist kalt und regnerisch. Um zehn Uhr sitzen wir dick eingepackt in Regenjacken, Handschuhen und Mützen auf den Rädern und kurbeln die rund 15 Kilometer nach Schaffhausen mit seinem tosenden Wasserfall, um dort in den Zug nach Solothurn zu steigen.
SCHWEIZER BAROCK UND EIN STORCHENDORF
Die Jugendherberge von Solothurn liegt mitten im Zentrum zwischen Aare und barocker Altstadt. Hinter der denkmalgeschützten Fassade des Hauses aus dem Jahre 1830 verbergen sich moderne Zimmer, und man fühlt sich sowohl im Haus als auch in der Stadt gleich wohl. Zeit für einen Rundgang. Die Siedlung soll ihren Ursprung bereits in der Keltenzeit haben, zur Römerzeit existierte ein Kastell an Ort und Stelle, heute zeigt sich die Stadt in barockem Gewand mit farbenfrohen, reich gegliederten Fassaden und mit herausragenden Denkmälern wie der klassizistischen Kathedrale St. Ursen und ihrer imposanten Freitreppe sowie mit trutzigen Tortürmen, kunstvoll gestalteten Brunnen oder dem ältesten Bauwerk der Stadt, dem Zeitglockenturm.
Verlockend sind auch die Auslagen der kleinen Confiserien und die gemütlichen Cafés. Wer möchte, kann sich auf die Suche nach elf Kirchen, elf Kapellen, elf Brunnen und elf Türmen machen. Es gibt sogar eine Uhr, die nur elf Stunden anzeigt. Elf gilt in der Stadt als magische Zahl. Der italienische Baumeister Gaetano Matteo Pisoni plante die Ursenkathedrale mit elf Altären und elf Glocken, die Gebetsstühle sind in Elferreihen angeordnet. Die Bauzeit betrug – man ahnt es – elf Jahre (1762 bis 1773), und so verwundert es nicht, dass Solothurn 1481 als elfter Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen wurde. Im Solothurner Dialekt wird die magische Zahl übrigens »Öufi« ausgesprochen, daher die Öufi-Boote, das Öufi-Bier …
Webcode #4548