Vorsicht! Spitze Steine und anhängliche Hunde
Wenn Urlauber an Kroatien denken, haben sie Adriastrände, Buchten und schöne Städte im Kopf. Doch es gibt noch ein anderes Bild. Im Landesinneren finden Bikepacker eine der tollsten Spielwiesen Europas. Dort ziehen sich Pisten über Hochebenen mit karstigen Bergen. Sie tauchen ein in stille Wälder und führen durch wilde Canyons.
Es gibt auf meiner Radreise durch den Balkan zwei Szenen, die sich ins Gedächtnis einge-brannt haben. Eine herzzerreißende und eine traurige. Beide spielen sich innerhalb von 24 Stunden ab. In Szene Nummer Eins radle ich am Morgen des 28. Mais hinein. Sieben Uhr. An einem verfallenen Bahnhofsgebäude nähert sich Hundegebell. Büsche wackeln. Aus dem Unter-holz prescht was hervor. Ein Welpe!
HUNDEWELPEN AN BORD
»Na vor dir muss ich keine Angst haben!« Noch bevor der Kleine am Fahrrad ist, schlägt das Gebell in unterwürfiges Fiepsen mit Schwanzwedeln um. Er nutzt eine Mauer als Sprungturm und hechtet auf eine der Radta-schen. Diese Kulleraugen, dieser traurige Blick. »Was soll ich mit dir machen?« Erstmal Wasser geben.
Ich schütte es in meine Hände und der Welpe schlappert einen halben Liter. Ich bin auf einer gut zweiwöchigen Radreise durch Kroatien und Bosnien-Herzegowina. In der ersten Woche führte die Fahrt die Küste runter, über mehrere Inseln bis in die Stadt Dubrovnik. Dort ging es heute Morgen in der Dämmerung los. Auf dem Plan stehen knapp 150 Kilometer. 18 davon sind geschafft. Voraus liegt eine Passage, auf die ich mich schon lange freue – der »Ciro Radweg«. Er nutzt eine stillgelegte Bahntrasse. In Mostar ist die nächste Unterkunft gebucht. Der Welpe soll mit bis ins erste Dorf. So zumindest der Plan.
Der neugewonnene Weggefährte sprintet schnaufend neben dem Rad her. Ich rolle langsam dahin. Stehenbleiben. Der Kleine sackt auf die staubige Piste. So kommen wir nicht weit. Er will mit, er muss mit. Hier draußen verendet der Hund. Entweder an Durst oder am Hunger. Doch wie transportiert man einen Welpen auf einem Gravelrad? Mir fällt die Lenkertasche ein. Ohne Widerstand lässt er sich hochheben. Ich radle mit einer Hand am Griff, jederzeit bereit zum Reagie-ren, mit der anderen halte ich den Kleinen fest. Wenn wir so stürzen, gibt es zwei Verletzte. Also den Welpen mit einem Spanngurt behutsam fixieren. Ins Hecheln mischt sich ein herzergrei-fendes Japsen. »Sorry – es geht nicht anders!«
Die Beine treten leicht auf der gut präparier-ten Trasse. Der Ciro Radweg ist dazu ideal. Die einstige Bahntrasse wurde mit sanften Steigun-gen und Gefälle in die wilde Balkanlandschaft gelegt. Zu beiden Seiten schweift der Blick über das Tal des Flusses Trebišnjica. Blumenwiesen wechseln mit Baumgruppen. Alles eingerahmt von lang gestreckten Bergen. Die Schneise ist so breit, dass kaum ein Schatten auf den Weg fällt. Der Welpe brutzelt in der Sonne.