Unser Bike&Travel-Autor Norbert Eisele-Hein durfte die Langsamkeit im Süden Frankreichs auf über 200 traumhaften Kilometern entdecken. Abwechselnd mit Boot und Rad ging es durch ein impressionistisches Gemälde der Größe XXL auf dem UNESCO-Weltkulturerbe Canal du Midi.
Pierre Paul Riquet war ein genialer Ingenieur. Besessen von seiner Idee. Einem Vorhaben, das an Größe und revolutionärem Gedankengut durchaus mit dem Bau des Eiffelturms oder der Schlossanlage Versailles gleichzusetzen ist.
Sein Canal du Midi, der von Bordeaux über Toulouse mit nur 260 Kilometern direkt ins Mittelmeer zielt, machte die 3.000 Kilometer lange, gefährliche Seepassage vom Atlantik über Gibraltar obsolet. Trieben doch im 17. Jahrhundert dort blutrünstige Piraten ihr Unwesen. Eine Vielzahl von Schiffen und deren wertvolle Fracht fielen obendrein den Unbilden des Wetters und Riffen zum Opfer.
Trotz aller Unkenrufe, die so ein Mammutprojekt naturgemäß begleiten – bis die Erfindung der Eisenbahn, die die Bedeutung der Kanalschifffahrt zurückdrängte, war der Canal du Midi wirtschaftlich ein voller Erfolg.
Heute fungieren die tief liegenden Kohlen- und Kornkähne von einst als Ausflugsschiffe, alternatives Wohnkonzept für Aussteiger oder stilvolle, schwimmende Restaurants. Die beim Kanalbau entstandenen Treidelpfade wurden im Laufe der Jahrhunderte immer schöner. Die damals frisch gepflanzten Pappeln und Platanen sind inzwischen stattliche Baumriesen. Diese immerzu schattigen Alleen zählen wohl zu den schönsten Radwegen Europas.
Bei einer Kombitour mit dem Boot bietet sich das intensivste Erlebnisspektrum. Täglich alle Mann von Bord für eine ausgedehnte Radtour, denn direkt am Kanal scheint das ländliche Südfrankreich komplett dem Werbeprospekt entsprungen.
VOLLE KRAFT VORAUS!
In Port Cassafières packen wir die Räder an Deck. Wir entern ein prächtig ausgestattetes Schiff der Kategorie »Crusader«. Philippe von der Hausbootvermietung »Le Boat« verpasst uns eine ausführliche Einweisung: »Für einen Kreuzzug ist eure Jacht zwar denkbar ungeeignet. Die Motoren sind schwer gedrosselt, weil auf dem Kanal ein Tempolimit von sieben Kilometern pro Stunde herrscht. Aber für eine beschauliche Kreuzfahrt bietet euer neues, schwimmen-des Zuhause beste Voraussetzungen: alle Kabinen mit heißer Dusche und Toilette, eine voll ausgestattete Küche und ein mondänes Sonnendeck.«
Trotz der minimalen Geschwindigkeit dauert es ein Weilchen, bis wir unser Traumschiff im Griff haben. An-fangs sieht es wohl aus als würden wir einen Jumbo-Jet rückwärts einparken. Doch nach ein paar Stunden ge-lingen schon die ersten Punktlandungen. Der Radweg immer direkt am Kanal ist ein Leckerbissen. Und den Blick auf die Karte kann man sich sparen. Es geht ein-fach immer am Wasser lang.
Webcode #2279