Die Donau als Wegweiserin: Von der Quelle im Schwarzwald bis vor die Tore Wiens führt sie Radler durch zwei Länder voller Überraschungen. Gut ausgebaut und beschildert, vereint der Weg Naturerlebnis und Kulturgenuss, Sport und Entspannung. Auftakt einer spannenden Reise bis zum Schwarzen Meer. Der erste Teil führt vom badischen Donaueschingen bis ins österreichische Hainburg.
Als wollten sie ein Geheimnis teilen, stehen die beiden Marmorgestalten im Schlosspark von Donaueschingen nebeneinander. Sanft neigt sich die Mutter Baar zu ihrer Tochter, der noch zarten Donau. Nach Osten weist ihr Fingerzeig. Dort, wo sich die Hochebene der Baar absenkt, treffen Brigach und Breg aufeinander. Aus zwei bescheidenen Schwarzwaldflüssen wird ein mächtiger Strom. Er wird mich durch halb Europa leiten.
Europas Lebensader erwacht
30. März. Sechs Uhr morgens, sechs Grad. Meine
3.000-Kilometer-Odyssee beginnt! Der Winter hat alle
Farben aus der Landschaft gesaugt. Doch als erste Frühlingsboten staksen elegante Störche über taunasse Wiesen.
Sie sind aus dem Süden zurückgekehrt – mich zieht
es dorthin. Der Lenker zeigt nach Osten. Im leicht abschüssigen
Gelände kreisen die Beine leicht. Schon nach
wenigen Kilometern verliert die große Distanz ein wenig
ihren Schrecken – es geht voran!
Auf dem ersten Abschnitt präsentiert sich die Donau
als klassische Flussroute. Wie in einem Mosaik wechseln
sich die Landschaften ab. Mal plätschert das Wasser, mal
rauschen die Wälder. Saftige Wiesen laden zum Verweilen
ein – doch ich lasse das Rad laufen. Bis Budapest ist alles
vorgebucht. Erst danach bestimmt der Fluss das Tempo.
Wie ein gewaltiges Naturtheater öffnet sich das Herz
des Naturparks Obere Donau. Über Jahrmillionen formte
hier der Fluss seine eigene Arena. Wie versteinerte Kulissen
ragen die Jurafelsen bis zu 150 Meter in den Himmel.
Auf den mächtigen Wänden tanzt das Morgenlicht sein
tägliches Spektakel. Und wie um das Ganze zu vervollständigen,
krönen Burgen die Felsenkämme – perfekte
Logenplätze für dieses grandiose Naturschauspiel.
Schwäbische Schätze
Malerisch reiht sich eine Fachwerkstadt an die nächste. Tuttlingen grüßt mit spitzen Giebeln. Sigmaringen präsentiert sein Schloss. Munderkingen lockt mit verwinkelten Gässchen. Überall möchte man verweilen. Aber der Weg ruft. Vorwärts treibt mich die große Distanz. Langsam fallen die Hügel ab, die schroffen Felsen weichen. Weite Felder breiten sich aus. Sie machen Platz für Ulm. Die ersten 200 Kilometer sind geschafft.
Ulmer Morgensinfonie
Saharastaub liegt wie ein Schleier über Ulm. Trotzdem
durchbricht das Münster machtvoll den Morgenhimmel. Mit seinen 161,53 Metern ist es der höchste Kirchturm
der Welt. Die gotische Silhouette durchschneidet den
Dunst. Golden leuchtet die Spitze im Sonnenlicht. Ein
steinerner Wegweiser nach Osten.
Im Fischerviertel gleitet mein Rad über jahrhundertealtes
Kopfsteinpflaster. Zwischen gewundenen Gassen
erheben sich zeitlose Fachwerkhäuser. Mintgrüne Fensterläden
ruhen im Morgenschlaf. Enge Kanäle spiegeln
das Bild vergangener Tage. Nur das sanfte Surren der
Radreifen durchbricht die Stille.
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