Dünen wie am Meer, Sümpfe und Auen, Heidelandschaften, Torfstiche und Tagebaugruben – das ist der Niederrhein. Aber auch Spargel- und Erdbeerfelder, Kohlköpfe in Reih und Glied, Wasserschlösser und Dorfschönheiten. Eine Region, die wie geschaffen ist fürs Gravelbike.

Zwischen Rhein und Maas, Münsterland und Eifel – der Niederrhein hat nur ungefähre Grenzen. Manche sagen, Niederrhein sei mehr ein Gefühl. Kann sein. Auf jeden Fall ist es ein sehr gutes Gefühl, in einer Region unterwegs zu sein, die nach eigenen Angaben das längste Radwegenetz Deutschlands hat – und dabei sind viele der Gravelpisten, um die es hier geht, gar nicht mitgezählt.
Was gibt es am Niederrhein zu sehen?
Viel flaches Land, durchzogen von idyllischen Flüssen wie die Niers und die Erft, prägt das Bild. Die großen Ströme Maas und Rhein haben das Land über Jahrtausende immer wieder umgeformt. Sie haben eine einzigartige Terrassenlandschaft geschaffen, die entlang der deutschniederländischen Grenze Heidegebiete und Sanddünen entstehen ließen – und die sind wie geschaffen für ausgedehnte Graveltouren.
Weite Felder, Auen und grüne Wiesen liegen unter einem hohen Himmel. Ruhige Kleinstädte aus rotem Backstein, alte Mühlen und Wasserschlösser setzen die Akzente. Für unser Buch »Niederrhein mit dem Gravelbike« haben Johannes Poettgens und ich 1.712 Kilometer geroutet und zu 22 abwechslungsreichen Touren zusammengestellt. Da Johannes im Hauptberuf Werbefotograf ist und ich Redakteur, war die Aufgabenverteilung klar: er die Bilder, ich die Texte. Selten hat ein Projekt so viel Spaß gemacht. Denn obwohl wir die Region schon gut kannten, haben wir viel Neues entdeckt – und die gemeinsamen Ausfahrten, viele davon mit Freunden und Bekannten, waren wie kleine Urlaube.
Von der Feierabendrunde mit 35 bis zur Wochentour mit 230 Kilometern reicht die Spanne der Touren im Buch. Hier stelle ich drei Touren mit unterschiedlichem Charakter vor: Sie führen an den Altrhein im Umland von Düsseldorf, in die herrliche Natur rund um Xanten und ins Gravel-Eldorado, dem deutsch-niederländischen Nationalpark De Meinweg.
Tour 1 – Am neuen und am alten Rhein
Es ist immer wieder erstaunlich, dass man nur ein paar Kilometer aus der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen rausfahren muss und schon kurvt man durch die schönste Natur. Vermutlich alle Gravelbiker, die in Düsseldorf zu Hause sind, kennen die Radwege entlang des Rheins. An einer dieser Rad-Hauptrouten geht es los. Genauer gesagt, linksrheinisch bei Büderich.
Wir radeln erstmal auf Asphalt, was ganz angenehm ist, um warm zu werden. Der Rhein fließt breit in Richtung Kaiserswerth und das Flutungsgebiet mit den weiten Wiesen sowie Fluss- und Kopfweiden ergänzen das Landschaftsbild. Nachdem wir die Flughafenbrücke unterquert haben, sind wir weit genug von Düsseldorf entfernt, dass wir es wagen können, die Dammkrone zu verlassen und auf den Singletrail am Ufer zu wechseln. Immer wieder blitzen kleine Strände durchs Geäst, lange Schiffe schieben sich durchs Bild – am Rhein gibt es immer was zu sehen. Erst recht in Langst-Kierst, wo die Rheinfähre »Michaela« nach Kaiserswerth übersetzt. Wer die Burgruine und die alte Basilika anschauen möchte, fährt für 2,50 Euro inklusive Fahrrad hinüber.
Wir bleiben aber linksrheinisch. Denn auch hier gibt es eine echte und sogar noch schönere Ritterburg zu sehen. Bei Kilometer 15,8 lohnt sich ein kurzer Fotostopp an der Burg Linn in Krefeld – ein voll restauriertes Schmuckstück! Weiter geht es auf einem lauschigen Weg entlang des Latumer Bruchs. Hier ist vor Jahrhunderten mal der Rhein geflossen. Das ehemalige Flussbett ist ein verwunschener Auwald, in dem fast ganzjährig Wasser steht.
Das Minidorf Ossum, durch das wir jetzt kommen, erinnert mich an Dörfer in der französischen Provinz, etwa im Hinterland der Normandie. Die dazu notwendigen Requisiten sind alle da: eine alte Kirche, Bauernhöfe, eine kaum befahrene Ortsdurchfahrt, es gibt sogar ein Schloss, das sich hinter hohen Mauern und Bäumen versteckt. Nur die Bar mit dem Tabakverkauf fehlt.
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