Die neue RockHead-Route erschließt das verborgene Wegenetz der Sächsischen Schweiz und der Oberlausitz. Eine viertägige Rundreise durch ein Labyrinth aus Tafelbergen, historischen Städten und malerischen Wäldern. Eine der faszinierendsten Landschaften Deutschlands.

Die klare Luft schärft innerhalb von Minuten die Sinne. Nach der langen Zugfahrt ist jeder Pedaltritt eine Wohltat, während ich an der Elbe entlang rolle. Gerade bin ich am Bahnhof der Stadt Wehlen losgefahren und sogleich mitten in der Natur. Voraus erhebt sich ein Meer aus Sandsteinfelsen – mächtige, vertikale Wände, die wie versteinerte Kathedralen aus der Erde wachsen. Ihre honigfarbenen Bastionen überragen das Elbtal um mehr als hundert Meter. Seit Jahren zieht es mich immer wieder in die Sächsische Schweiz. Jetzt gibt es einen neuen Grund, an den Ostrand Deutschlands zu reisen: die Gravelbiketour RockHead. Sie bittet mich zum Tanz ins verwunschene Hinterland der Elbe bis ins Zittauer Gebirge – vier Etappen liegen vor mir.
Zeitreise durch das Felsenreich
Im Nachmittagslicht schnaufe ich südlich der Elbe längs des Struppenbachs hinauf in das gleichnamige Dorf. Der GPS-Track von Rock- Head weist den Weg. Er führt durch ein Mosaik aus Feldern und Mischwäldern. Das Höhenprofil zeigt seine Zähne – es geht auf den ersten 30 Kilometern dreimal ordentlich bergauf. Doch das Elbsandsteingebirge beeindruckt mit tollen Ausblicken.
Tafelberge und Schotterpisten
Eine Kurve öffnet den Blick auf das Wahrzeichen der Region: die Festung Königstein. Majestätisch thront sie einer Fata Morgana gleich auf ihrem Sandsteinsockel über der Landschaft, die massiven Mauern verschmelzen mit dem Fels zu einer eindrucksvollen Silhouette. Das Abendlicht hüllt die Anlage in warme Töne und verleiht den Wällen einen goldenen Schimmer. Das Bollwerk wurde im 13. Jahrhundert erbaut und später zur größten Bergfestung Europas ausgebaut. Die exponierte Lage und die bis zu 42 Meter hohen Mauern machten Königstein zu einer nie eroberten Bastion. Der tiefste Brunnen Sachsens mit 152,5 Metern sicherte die Wasserversorgung der einst als Staatsgefängnis genutzten Anlage.
Ringsum erheben sich weitere Tafelberge, aufgetürmt in markanten Schichten, die von der Jahrmillionen währenden Vergangenheit der Region erzählen. Auf einem holprigen Feldweg geht es der sinkenden Sonne entgegen. Er erdet mich wieder. Das warme Abendlicht lässt die Sandsteinfelsen noch einmal in ihrer vollen Pracht erstrahlen, während sich lange Schatten über die Wiesen legen. Was mir an RockHead sogleich gefällt, sind die ständig wechselnden Untergründe, das Zickzack der Route. Mal knirscht Schotter unter den Reifen, dann wieder gleitet das Rad über schmale Naturwege. Alles perfekt, denke ich, aber die Dämmerung mahnt zur Eile. Also runter ans Elbufer, rauf auf den Radweg, über den Fluss und ab zum Hotel in Bad Schandau!
Goldene Pfade durch das Sandsteinland
Ab der zweiten Etappe begleitet mich über das Wochenende die Gravelbikerin Christina. Nach einem ausgiebigen Frühstück brechen wir um 8:40 Uhr auf. Die klare Morgenluft hüllt Bad Schandau ein. Das erste Wegstück führt durch das malerische Sebnitztal hinauf, wo sich der gleichnamige Bach in Schleifen durch die Sandsteinformationen windet. Die Route strebt nordostwärts, und der kleine Fluss hat sich tief ins Elbsandsteingebirge gegraben. Schnell bleiben die letzten Häuser zurück, und der Wald übernimmt die Regie.
Die Sicht und die Gedanken sind gefangen im Tal, alles reduziert sich auf das Hier und Jetzt. Auf einem gut ausgebauten Doppelspurweg schlängelt sich die Route am Nordrand des Nationalparks Sächsische Schweiz entlang. An diesem Samstag sind die Wege fast menschenleer.
Grenzland der tausend Geschichten
Nach einer ersten Abfahrt rollen die Räder in Sebnitz aus. Beim Rundgang offenbart sich die Stadt als lebendiges Zeugnis ihrer Geschichte. Die traditionelle Seidenblumenindustrie brachte einst Wohlstand ins Tal, was sich heute an der prächtigen Architektur der Gebäude ablesen lässt.
Am Marktplatz legen Christina und ich in einem gemütlichen Café die wohlverdiente Pause ein. Die Stärkung kommt gerade recht – als Nächstes geht es auf den Ungerberg. Er erhebt sich 538 Meter aus dem Waldmeer. Kehre um Kehre schrauben wir uns nach oben. Auf dem Gipfel angekommen, heißt es: Räder abstellen und die Wendeltreppe des Prinz-Georg-Turms erklimmen. Die Anstrengung verwandelt sich in pure Freude: Aus der Eichhörnchen-Perspektive eröffnet sich ein weiter Rundblick auf die umliegenden Dörfer. Ringsherum erstrecken sich Felder und Wiesen, während Wälder die langgezogenen Höhen einnehmen.
Die RockHead-Route tanzt entlang der deutsch-tschechischen Grenze. Am späten Nachmittag zeichnet sich die imposante Bockwindmühle Kottmarsdorf gegen den Abendhimmel ab. Ihre dunklen Holzflügel stehen still. Dahinter malt das warme Licht der sinkenden Sonne eine magische Atmosphäre.
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