Wer auf der Route »Grenzen.Los« unterwegs ist, überquert oft – und meist unbemerkt – eine Landes-grenze. Die neu konzipierte Fahrradroute durch vier Länder verkörpert das unbeschwerte Reisen im Herzen Europas. Unser Autor Erik Van de Perre und sein langjähriger Fahrradkumpel Rob Groters genossen die Tour durch tief eingeschnittene Flusstäler und über ehemalige Bahntrassen.
Ausgangspunkt unseres sechstägigen Streifzuges ist die Stadt Jülich, einst Straßenstation entlang der Römerstraße Via Belgica, heute Etappenziel am »RurUfer-Radweg«. Die Markierungen des Radweges führen uns rasch aus der historischen Festungsstadt heraus –und hinein in ein Industriegebiet. Zunächst glauben wir, eine Abzweigung verpasst zu haben. Doch als wir den verwaisten Pfahl bemerken, wird klar, dass das Hinweisschild wohl eher einem »leidenschaftlichen Sammler« zum Opfer gefallen ist. Auch im weiteren Verlauf der Route ist Aufmerksamkeit geboten, denn diese verbindet nicht nur vier Länder, sondern auch sieben Radrouten, jede mit eigener Markierung. Wohl dem, der vor Anfang der Tour den GPS-Track auf Fahrradcomputer oder Smartphone installiert hat.
PROFIS AM WERK
Unsere Route folgt dem Verlauf der Rur, die zunächst behäbig durch die Felder fließt. Ab Düren ändert sich aber der Charakter des Flusses, der nun durch ein tief eingeschnittenes Tal rauscht. Auwälder säumen die Ufer und bald tauchen erste Stromschnellen auf. Zwischen dem Geäst zeichnen sich hohe, rote Sandsteinfelsen ab, be-herrscht von der mächtigen Ruine der Burg Nideggen, die wie ein Adlernest 150 Meter über dem Fluss thront. Ein restaurierter Flügel beherbergt heute das Burgmuseum. Wer eine Eintrittskarte löst, erfährt nicht nur vieles über die verschiedensten Burgen, sondern darf auch einen Blick in das Verlies werfen. Die Kölner Erzbischöfe Konrad von Hochstaden und Engelbert II. von Falkenburg brauchten keine Eintrittskarte. Beide Kirchenfürsten genossen einst die »Gastfreundschaft« der Burgherren im Kerker – in Erwartung eines angemessenen Lösegeldes.
Moosbewachsene Felsen, tiefhängende Äste und schwimmende Baumstämme verleihen dem Fluss nun einen wahren Dschungelcharakter. Und das gefällt auch Meister Bockert. Im 18. Jahrhundert war der Biber aus der Rur verschwunden, doch heute ist der forsche Nager dank eines erfolgreichen Wiederansiedlungsprojektes wieder zurück. Zwischen 1981 und 1989 wurden die ersten zwölf Biber aus Polen ausgesetzt. Heute zählt der Be-stand wieder über 400 Tiere.
Während wir den Fluss nach Bibern absuchen, ertönt lautes Gejohle: Eine Schulklasse paddelt den Fluss hinunter. Die Rur ist der beliebteste Wildwasserfluss im Westen Deutschlands, die Abfahrt von Heimbach nach Zerkall ein Klassiker. Erfahrung ist nicht nötig, solange man das Gewässer mit kundiger Führung befährt. Warum das eine gute Idee ist, zeigt sich, als ein Kajak vor unseren Augen in eine Kiesbank kracht.
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