Seit fünfzehn Jahren lebt die Autorin Connie Lemân im Tölzer Oberland und ist immer wieder fasziniert von der Vielfältigkeit und Schönheit der Landschaft. Im Bike&Travel Magazin stellt sie drei Genuss-Radeltouren aus ihrer Wahlheimat vor: Kaleidoskope aus Klöstern, Kühen, Kulinarik in einer bilderbuchartigen Voralpenlandschaft. Die Landschaften der drei Touren vermitteln ein völlig unterschiedliches Lebensgefühl. Die beschriebenen Strecken verlaufen alle im Flachen, beinahe ohne Höhenmeter. So kann man sich mühelos den Eindrücken unterwegs hingeben und die abwechslungsreiche Natur genießen.

TEXT: CONNIE LEMÂN / BILDER: BERND RITSCHEL

MIT DEM RAD UM DEN WALCHENSEE DURCH DIE BAYERISCHE KARIBIK
Der frühe Morgennebel liegt kühl über dem verträumten Walchensee. An den Ufern zeichnen sich Jochberg und Herzogstand gegen den sich golden färbenden, glasklaren Himmel ab. Es verspricht, ein wunderschöner Sommertag zu werden. Wir stehen mit den Rädern bei Einsiedl auf der Halbinsel Zwergern, am Ufer des oberbayerischen Walchensees. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: Wir dürfen den Sonnenaufgang ganz alleine bewundern. Nur ein paar Hochlandrinder mit breiten Hörnern und plüschigem Fell teilen den Anblick.
Neben unserer Bucht stehen im Wasser kleine, hölzerne Bootshäuser auf Pfählen über den Nebelschwaden. Bunte Holzboote sind davor angebunden. Wir genießen den Sonnenaufgang am Ufer sitzend. Ein paar Blesshühner piepen, sonst ist es still. Es könnte romantischer nicht sein, doch das Bild von der bayerischen Karibik will sich mir in der morgendlichen Kühle noch nicht erschließen.

BADEBUCHTEN MIT BERGBLICK
Um Strecke zu machen, fahren wir entlang des südlichen Ufers bis Sachenbach durch. Dieser Abschnitt führt von Einsiedl bis Niedernach über eine Mautstraße, deren Nutzung für Radfahrer kostenlos ist. Der Weg führt vorbei an Altlach und gibt immer wieder den Blick auf Badebuchten frei. Im Sonnenschein sehen wir die weißen Kiesstrände, die ins türkis-grüne Seewasser abfallen –deswegen der Vergleich zur Karibik.
Am gegenüberliegenden Ufer erhebt sich steil und mächtig der Herzogstand mit 1.731 Metern Höhe. Die Gondel, die von hier aus zu sehen ist, erleichtert den Aufstieg auf diesen Voralpenberg erheblich. In Niedernach wird bei einem Kraftwerk der Rißbach über einen unterirdischen Stollen in den Walchensee geleitet. Ab hier geht es in Richtung Norden. Hier ist die kleine Insel Sassach gut zu sehen.

RÜCKZUGSORT SASSACH
Die Insel gehörte bis zur Säkularisation 1803 zum Kloster Benediktbeuern und diente seinem Konvent als einsamer Zufluchtsort. So war die Insel Rückzug für die Klosterangehörigen während des Dreißigjährigen Krieges: 1632 beim Einfall der Schweden zog sich das Konvent mit samt den Schätzen des Klosters auf Sassach zurück. Noch heute kann man Reste von Grundmauern auf der Insel finden. Nach wechselvoller Geschichte kaufte die Bayerische Staatsforstverwaltung 1972 die Insel zurück und riss alle noch bestehenden Gebäude ab.