Radfahrern wird es im Westen der Alpen angenehm gemacht: Es gibt traumhafte Sträßchen, die sich durch Canyons schlängeln und einsame Pässe überwinden. Garniert wird die Tour mit Kleinstädten und dem mediterranen Klima der Provence.
Dieser Ausblick! Ich stehe am Grand Canyon du Verdon. Voraus bricht der grau-braune Fels ab. Der Blick taumelt in die Tiefe: 300 Meter, 500 Meter, 700 Meter. Zwischen den gelb leuchtenden Ginsterbüschen erspäht das Auge auf Ameisengröße geschrumpfte Boote, die gemächlich in der Strömung des türkisfarbenen Flusses treiben. Ein donnerndes Aufheulen lässt mich hochschrecken. Was war das? Suchend wandert der Kopf umher. Am Himmel taucht eine Mirage auf. Der Pilot drosselt die Geschwindigkeit, drückt die Schnauze des Kampfflugzeugs nach unten. Er sinkt und sinkt. Als er unter mir auf den Eingang des Canyons zu jagt, kann ich direkt ins Cockpit sehen. »Wahnsinn!« Gespannt lausche ich in die Schlucht hinein und warte was passiert.
DIE SCHÖNSTEN DÖRFER FRANKREICHS
Der Süden Frankreichs zieht mich seit 12 Jahren immer wieder an. Damals steuerte ich mit dem Rennrad vier Wochen lang durch die Alpen, strampelte von Deutschland bis an die Côte d‘Azur und zurück. 4.500 Kilometer, 57.000 Höhenmeter. Passstraße folgte auf Passstraße. Wo ist die Landschaft des Gebirges am spektakulärsten? Da gibt es mehrere Plätze. Einer davon ist der Grand Canyon du Verdon. In mir ist der Plan gereift, dort mit dem Reiserad umherzuziehen. Anstatt Kilometer und Höhenmeter zu sammeln, ist nun beschauliches Radeln angesagt. Dieses Mal habe ich mir einen knapp 500 Kilometer langen Rundkurs ausgesucht. Los geht es in Moustiers-Sainte-Marie, einem charmanten Dorf. Es drängt sich im Département Apes-de-Haute-Provence unter eine hohe Felswand, die heute Morgen das Licht der aufgehenden Junisonne fernhält hält. Moustiers-Sainte-Marie trägt die Auszeichnung »Les plus beaux villages de la Terre«, zu Deutsch »Die schönsten Dörfer Frankreichs«. Der Platz ist kostbar, so dass sich die von der Kirche Notre-Dame-de-l’Assomption beschützten Häuser dicht zusammendrängen. Die Dächer sind mit roten Rundziegeln gedeckt. Darunter gehen die 700 Einwohner ihren morgendlichen Tätigkeiten nach: Für die einen beginnt der Tag mit einer Zeitung, einem Croissant und einem Milchkaffee. Andere bereiten sich für eine Ausfahrt ins Umland vor. Auch mich zieht es hinaus in den südwestlichsten Teil des Alpenbogens.