Eine Alpenüberquerung ist für viele Tourenradler immer noch ein Traum. Mittlerweile gibt es einige gut ausgebaute Fernradwege Richtung Süden. Autor Thomas Pfeiffer hat sich den München-Venezia-Radweg angeschaut. Auf meist ruhigen Nebenstrecken und ehemaligen Bahntrassen ist er von Tal zu Tal gefahren und erlebte viele kulturelle Höhepunkte und die beeindruckenden Dolomiten. Entspannt radelte er bis nach Italien und hat die Alpen mit allen Sinnen erfahren.
Auf dem Innradweg nähere ich mich einem Rennradfahrer, der sein Bike im grasbewachsenen Seitenstreifen schiebt: »Kann ich helfen? Hast du eine Panne?« Aus einem lachenden Gesicht höre ich, es sei nur eine Pause. Einige Kilometer später holt mich Michael ein und wir fahren gemeinsam weiter. Er kommt aus München und ist mit wenig Gepäck in den Alpen unterwegs. Diese Auszeiten vom Alltag mag er sehr: »Man kommt mit wenigen Dingen aus, sieht schöne Landschaften, hat Ruhe und muss mit sich selbst auskommen.« Bei Volders nahe Innsbruck verabschieden wir uns und ich quartiere mich auf dem dortigen Campingplatz ein.
Seit meinem Tourstart in Bad Tölz bin ich bereits den zweiten Tag unterwegs. Offiziell beginnt der München-Venezia-Fernradweg zwar in der bayrischen Hauptstadt, doch von Bad Tölz aus steigt man direkt in die Voralpenlandschaft ein. Der Kurort ist sehenswert und optimal als Startpunkt für eine Alpenüberquerung geeignet.
GRENZFAHRT NACH ÖSTERREICH
Meine ersten Kilometer fahre ich auf dem Isarradweg, um hinter Lenggries hinauf Richtung Sylvensteinsee zu gelangen. Dahinter geht es über Asphalt bergab: Ich lasse rollen, überschreite brausend die Grenze zu Österreich und mache Strecke bis nach Achenwald. Zwei Stunden später stehe ich am Achensee und staune über die mächtig aufragende Bergkulisse, in dieser der türkisklare See eingebettet ist.
Den zweiten Fahrtag beginne ich am Südufer des Achensees in Maurach. Auf der steilen Abfahrt ins Inntal rolle ich zuerst auf einer Naturstrecke durch dichte Wälder; ab Fischl geht es dann über asphaltierte Nebenstrecken weiter. Während ich mich auf die steile Abfahrt konzentriere, höre ich aus der Ferne immer wieder ein lautes Schnaufen und Tuten: die historische Dampflokomotive der Achenseebahn. Die meterspurige Zahnradbahn überwindet auf rund sieben Kilometern von Jenbach im Inntal zum Achensee über 400 Höhenmeter. Was für ein Kraftakt! Mit meinem bepackten Rad möchte ich hier nicht herauffahren. Noch häufiger werde ich auf meiner Alpentour froh sein, die Fernstrecke nicht in Venedig gestartet zu haben. Topografisch gesehen hat man es in Richtung Venedig leichter und fährt gefühlt öfter bergab.
Bis hierhin ins Inntal musste ich nur wenig Höhemeter fahren. Doch der Brennerpass liegt ja noch vor mir – leider muss man hier viel auf der Hauptstraße fahren. In Innsbruck entdecke ich eine Alternative: Die Regionalbahn Innsbruck-Brenner fährt stündlich und hat große Fahrradabteile. Das klingt ansprechender, als auf einer steilen Passstraße zu fahren, dabei ständig dicht von Autos und Lkws überholt zu werden.
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