Wer im Oktober mit dem Gravelbike durch die Appalachen zieht, erlebt den Indian Summer von seiner berauschenden Seite. Das Beste: Die Schotterwege hat man meist für sich alleine. Als Base dienen charmante Kleinstädte und zum Kilometermachen bietet sich der Blue Ridge Parkway an – eine der schönsten Panoramastraßen im Osten der USA.
Auf all meinen Radreisen in den USA überkam mich ein wohliges Gefühl. Jedes Mal war es anders. In North Carolina stellt sich das Feeling am Anreisetag ein. Gerade bin ich am Ostfuß der Appalachen im Städtchen Brevard angekommen. Es gehört zu den »coolest small towns in America« und liegt im Transylvania County. Der Name deutet nicht auf den bekannten Blutsauger aus Rumänien hin, sondern bedeutet so viel wie »jenseits des Waldes«. Der Wald hier ist riesig und voll mit einsamen Pisten. Na dann – Fahrrad montieren, Ausrüstung herrichten und erstmal schlafen!
In Brevard gibt es eine fitte Gravelbikerszene. Für den Tourauftakt bin ich mit Christian McLauchlin verabredet. 30. September. Treffen um neun Uhr morgens. Chris, ein schlanker, hochgewachsener Biker, lotst mich über die Radwege der Stadt. Wir drehen nordwärts und ziehen hinter den letzten Häusern den Davidson River entlang in die bewaldeten Berge. Unser Trail schmiegt sich ans Wasser. Jogger und Spaziergänger mit Hunden – alle grüßen freundlich. Dann zieht die Route höher in die Berge des Pisgah National Forest. Er wurde 1916 als einer der ersten Nationalforste im Osten der USA eingerichtet. Mit einer Fläche von 2.064 Quadratkilometern entspricht er der vierfachen Größe des Bodensees. Man schützt Hartholzwälder, Wildwasserfl üsse und Wasserfälle.
»North Carolina´s Land of Waterfalls« nennen die Touristiker die Gegend. Seine Naturschönheiten zieren Filme wie »Der letzte Mohikaner«, »Die Tribute von Panem« und »Dirty Dancing«. Mich hat Chris zum Tanz gebeten und jetzt schnaufe ich hinterher. Liegt es am Jetlag von sechs Stunden oder an der neuen Umgebung? Zwei Gänge herunterschalten, Rhythmus finden. Heute ist der Himmel bewölkt und der Wald wirkt düster. Nach wenigen Metern verliert sich der Blick im Unterholz. Der Doppelspurweg schraubt sich von 645 Metern bis auf 1.120 Meter hinauf. Nach einer kurzen Abfahrt folgt die nächste Kletterpassage. Wir treffen vier Herren mit Gravelbikes. Was wie Altherrenfahrt aussieht, entpuppt sich als trainierte Truppe.