Über Bornholm liest man viel Positives: Es sei ein »Fahrradparadies« und »Eldorado für Aktive« mit viel »Sonne« und den »allerschönsten Sandstränden«. Kann eine Insel in der Ostsee mit nur 40 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite solch ein Füllhorn an Urlaubsversprechungen einhalten? Autor Thomas Pfeiffer ist dem Ruf der Insel gefolgt. Auf einem Kurztrip radelte er auf dem Küstenradweg.
Auf Naturbelag fahre ich gemütlich durch den lichten Nadelwald, der durch die eindringenden Sonnenstrahlen hell und einladend wirkt. Von links her höre ich die Brandung. Ein wunderbarer Morgen am Meer, das türkisschwarz schimmert und noch vom gestrigen Tag aufgewühlt ist. Der Einstieg in die Inseltour verlief holprig: Nach einer rund sechsstündigen Fährfahrt werde ich im Hafen von Rønne von heftigen Windböen und Regen eingehüllt. Ich entscheide mich für einen Aufenthalt auf dem nah gelegenen Campingplatz. Auf dem Weg dorthin werde ich auf der Küstenstraße zum Spielball der Elemente. Der Wind peitscht mir den Regen ins Gesicht, in Schlangenlinie kurbele ich Meter um Meter vorwärts. Ist es wirklich eine so gute Idee gewesen, Bornholm Ende September zu bereisen? Statt Zeltplatz nehme ich eine kleine Holzhütte, die man in Dänemark oft auf Campingplätzen angeboten bekommt.
GRØNBECHS GÅRD, HELLIGPEDER UND JONS KAPEL
Den kurzen Inseltrip werde ich auf der 106 Kilometer langen Küstenroute, dem »CYCLEVEJ 10«, verbringen. Mit dem Fahrrad soll man dabei einen guten Überblick über die Kultur, Landschaften und Orte der Insel bekommen. Im Ort Hasle führt mich der Radweg an einigen weiß getünchten Räucherhäusern mit ihren bauchigen Schornsteinen vorbei. Nicht nur die Farbe, sondern auch der Geschmack der geräucherten Heringe ist wahres Gold. Die »Bornholmer« werden mit Erlenholz geräuchert, das mit nassen Lappen befeuchtet wird.
In Hasle gibt es auch das Grønbechs Gård, ein restauriertes Kaufmannshaus aus dem Jahr 1877. Darin ist Bornholms Zentrum für Kunsthandwerk, Foto und Design ansässig, das 2002 gegründet wurde. Hier zeigen lokale, nationale und internationale Künstler ihre Arbeiten. In den lichtdurchfluteten Räumen kommt eine interessante Spannung zwischen historischem Gebäude und den Werken, Fotos und Objekten auf – eine perfekte Symbiose.
Etwas weiter radle ich auf einem einsamen Küstenweg weiter. Meeresvögel sitzen in sicherer Entfernung auf Steinen und genießen sichtbar die wärmende Herbstsonne. Überall sieht man reifbunte Früchte an Apfelbäumen, Sanddorn- und Holunderbüschen. Den Weiler Helligpeder hat man mit einem Blick erfasst. Dieser malerische Winkel ist der kleinste Ort der Insel. Die Straße trennt die Handvoll Häuser vom Miniaturhafen, in dem Boote dümpeln und Möwen im blauen Himmel um die Wette kreischen.
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