Das Herz Frankreichs ist nicht Paris, sondern der Mittellauf der Loire – zumindest für Radreisende. Auf gemütlich kurzer Strecke an den Flüssen Loire und Cher entlang reihen sich herrliche Schlösser auf wie an einer Perlenkette. Nirgends lässt sich Kultur und Kulinarik besser mit Radfahren verbinden.
Ein Küsschen zur rechten Zeit, auf die richtigen Wangen, und schon läuft das Leben in anderen, fantastischen Bahnen! Das lässt sich im Herzen Frankreichs lernen. Wir sitzen am Ufer des kleinen französischen Flusses Cher, genießen den Halbschatten der alten Parkbäume und lauschen dem sanften Plätschern des Wassers. Ab und zu ein höfliches »Bonjour, Madame«, wenn ein Radfahrer direkt an unserem Picknickplatz vorbeifährt. Viele sind es nicht, viel weniger jedenfalls als drüben am Loire-Radweg. Luftlinie sind es nur gute zehn Kilometer dort hinüber.
Zur Loire werden auch wir im Lauf des Nachmittags zurückkehren. In der Stadt Tours werden wir die Radrunde schließen, die uns so viele wunderbare Schlösser und etliche Flusskilometer geschenkt hat. Vorher aber erfreuen wir uns an französischem Käse und frischem Baguette.
EIN ERZWUNGENES GESCHENK
Im Jahr 2000 wurde das Loiretal wegen seiner sehenswerten Schlösser und der reichen Geschichte ins UNESCO-Welterbe aufgenommen. Wenn sich dazu eine Frage stellt, dann höchstens: Warum erst so spät? Die Loire und ihre Schlösser sind schließlich herrlich und werden von in- und ausländischen Gästen besucht, seit es nennenswerten Tourismus gibt. Seit dieser Zeit – spätestens – wird auch darüber diskutiert, welches denn nun das schönste Schloss sei. Das in Amboise mit seinem Garten oder jenes in Blois, eingefügt in die Stadt? Die riesige Anlage von Chambord? Oder eben Chenonceau mit seiner mehrstöckigen Galerie über dem Fluss Cher? Auf unserer Radrunde sehen wir sie alle. Die Frage nach dem schönsten ist alles andere als einfach. Wir benötigen vier Tage und unzählige Stangen Baguette, um einer Entscheidung nahe zu kommen.
Für mich ist die Antwort dann aber klar: Chenonceau. Die perfekte Harmonie aus Architektur und Fluss, der Eindruck von Leichtigkeit, die Betonung der Gärten im Vergleich zu den Bauwerken – einfach genial.