Great walk« nennen die Neuseeländer ihre wirklich allerschönsten Trekkingtouren. Acht Wege tragen den Ehrentitel, der Kepler Track im Süden der Südinsel ist einer von ihnen. In vier Tagen wandert man durch geheimnisvolle Buchenwälder, über aussichtsreiche Kämme und genießt die Tiefblicke auf den Lake Te Anau und den Lake Manapouri – ein Erlebnis der Extraklasse!
Höchst selten – eigentlich fast nie – sind »stille Örtchen« wirklich still. Aber hier oben ist tat-sächlich kein Laut zu hören. Die Vögel haben ihr Morgenkonzert bereits beendet, die klugen neu-seeländischen Bergpapageien haben uns noch nicht entdeckt und fordern ihr Frühstück gerade anders-wo ein, und selbst der Wind streicht so sacht über den Kamm, dass sich die Gräser zwar in Wellen neigen und wieder aufrichten, ihren Tanz aber lautlos aufführen.
Selbst für neuseeländische Verhältnisse befinden wir uns an einem weltabgeschiedenen Ort. Bis in die ers-te Siedlung würde man rund zwölf Stunden gehen, in westlicher und nördlicher Richtung sind es gar einige tausend Kilometer zur nächsten Ortschaft. Bei solcher Abgeschiedenheit müsste man die Toilettentür kaum ab-sperren. Am stillen Örtchen am Hanging Valley fehlt sie gleich ganz.
Fast am höchsten Punkt des Kepler Tracks blickt das Klohäuschen auf die Berge des Fiordland-Nationalparks in Neuseeland und auf einen der Arme des Lake Te Anau. Als Vorgeschmack auf die richtigen Fjorde wie den berühmten Milford Sound ein paar Kilometer wei-ter streckt sich der Lake Te Anau polypenartig aus und greift mit sehr langen, tiefblauen Armen ins Gebirge hinein. Allein für diesen besonderen Blick lohnt sich die Wanderung auf dem Kepler Track bereits.
4 STUNDEN ODER 4 TAGE
Der Kepler Track ist einer von acht Great Walks in Neuseeland. 60 Kilometer legt man auf dem »Premium-wanderweg« zurück, wahlweise in 4:33 Stunden oder in vier Tagen. Ersteres ist der derzeit gültige Rekord bei der alljährlichen Kepler-Challenge, einem Ultramara-thon. Letzteres die übliche Dauer der Wanderung bei normalem oder moderatem Gehtempo.
Die Besonderheit des Kepler Tracks ist nicht nur die alpine Landschaft, sondern auch, dass die Runde tat-sächlich dort endet, wo man sie angefangen hat – bei neuseeländischen Great Walks fast ein Unikat, benötigt man doch in der Regel einen oft hunderte Kilometer langen Rücktransport zum Start, per gechartertem Bus, per Schiff oder per Flugzeug, was die meisten der Great Walks etwas zeitaufwändig und kostspielig macht.
Kepler Track, Tag 1. Wir stehen am Beginn, es ist noch dunkel. Pfeil nach rechts, Pfeil nach links. Kurz nach der Überquerung der Wassersperre an der Dock Bay des Lake Te Anau steht man vor der Wahl: im Uhr-zeigersinn oder dagegen? Für die meisten Wanderer ist diese Entscheidung längst gefallen, denn die Über-nachtungsplätze in den drei Hütten oder auf den zwei offiziellen Campingmöglichkeiten müssen im Voraus bei der Nationalparkverwaltung gebucht werden. In der Hauptsaison tut man sogar gut daran, dies frühzeitig zu tun. Auch wenn der Kepler Track bei weitem nicht so überlaufen ist wie sein bekannter Nachbar, der Milford Track, so können die Plätze doch knapp werden.
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