Eine Winzeralm, unter der früher Seekühe grasten. Edelsteine, die mit etwas Glück vor die Wanderschuhe kullern. Weiß getünchte, runde Häuschen, deren kegelförmige Dächer über die Reben lugen. Klingt märchenhaft, gibt’s aber wirklich: in Deutschlands größtem Weinbaugebiet.
Steine stapeln sich zu kantigen Wegbegleitern. Nur Steppengräser und lila leuchtende Heidekräuter kämpfen sich dazwischen aus dem Boden. Wind fegt über die Kuppe. Das Goldene Horn mutet zwar alpin an, knackt aber gerade mal die 270-Meter-Marke. Die Astgabel einer einsamen, herrlich schief stehenden Birke lädt zum Sitzen ein. Gut, die Wanderliege nebenan ist bequemer. Blicke rollen den Hang hinab: Hügel plustern sich wie aufgeschüttelte Bettdecken. Hiwwel, wie die Menschen hier in »Rhoihesse« sagen. Was aus der Ferne so sachte aussieht, kann beim Hinaufsteigen allerdings kurz mal ganz schön in die Waden beißen.
Fast nirgendwo in Deutschland wächst weniger Wald als in dem Landstrich zwischen Bingen, Mainz und Worms. Dafür wurzeln auf einem Fünftel Rebstöcke – nur zwei der 136 Gemeinden bauen nicht an. Nordpfälzer Bergland und Hunsrück fangen Regen und Wind ab, jenseits des Rheins kesseln auch noch Taunus und Odenwald ein. Verwöhnt von Sonnenschein und Wärme reifen jährlich Trauben für über 260 Millionen Liter heran. So viel, wie in keinem anderen der 13 deutschen Weinbaugebiete. Und dort, wo sich alles um Wein dreht, darf es eine Winzeralm geben – wenn auch nur auf Hügelhöhe.
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