Spitzbergen ist eines der abgelegensten Gebiete der Welt. Auf der arktischen Inselgruppe mit über 400 Eilanden, nur 1.300 Kilometer vom Nordpol entfernt, trifft man öfter auf Polarfüchse, Schneehühner und Rentiere als auf Menschen. Christiane Flechtner hat sich dorthin zur Trekkingtour aufgemacht.
Der Wind heult laut und misst seine Kräfte mit der kleinen Gruppe, die beständig in dieser rauen Natur einen Schritt vor den anderen setzt. Hier ist das Ende der Welt, könnte man meinen. Denn die Landschaft
wurde über Jahrtausende durch Eis und Wasser geformt und besteht überwiegend aus Grau und Weiß. Mittendrin drei Schneehühner. Gut getarnt, sind sie in der Weite kaum zu erkennen. Doch auch sie werden samt ihren Federn zum Spielball der Naturgewalten und wandern torkelnd und zerzaust über die Ebene.
Weiter oben, auf etwa 400 Höhenmetern, kämpfen sich die Wanderer voran und erreichen bald das Plateau des Sarkofagen. Der Berg thront über Longyearbyen, der kleinen Bergbaustadt, und der davor gelagerten Bucht. Eine kurze Verschnaufpause, ein Blick auf die grandiose Landschaft, ein geschriebener Satz im Gipfelbuch – und dann geht die Wanderung wieder bergab über den Longyearbreen, quasi den Hausgletscher der kleinen, knapp 2.500 Einwohner zählenden arktischen Stadt.
AUF DEN SPUREN VON MENSCH UND NATUR
Die zu Norwegen gehörende Inselgruppe Spitzbergen im norwegischen Archipel, die im norwegischen Sprachge-brauch seit 1920 Svalbard heißt, ist fast so groß wie Bayern, hat aber nur 2.400 Einwohner. Das Archipel wurde über Millionen von Jahren in der Werkstatt der Naturkräfte gemeißelt, gehackt, gefeilt und poliert. Die Eiszeit dauert an und der Zahn der Zeit arbeitet mühsam weiter an seinem endlosen Skulpturprojekt – ohne eine Skizze für das Endresultat. Die Natur ist hier ununterbrochen am Werk.
Doch nicht nur die Kräfte der Natur haben in Spitzbergen gewirkt – auch der Mensch hat Spuren hinterlassen, Landstriche geformt und Berge ausgehöhlt. »Seitdem Willem Barents Ende des 16. Jahrhunderts auf der Suche eines nördlichen Seewegs nach China und Indien auf Spitzbergen traf, sind immer wieder Menschen hierhergekommen. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Gräber der Walfangzeit«, erzählt Andreas Umbreit. In München geboren und im Allgäu aufgewachsen, lebt der 62-Jährige heute in Spitzbergens größter Stadt Lonyearbyen. Er kennt sich auch in der Geschichte des Landes aus: Es gab die Zeit der Trapper, die bis zu 500 Eisbären im Jahr schossen; aber auch die Rentier- und Waljagd war lukrativ. Hinzu kam der Steinkohleabbau. 1899 wurde das erste ‘schwarze Gold’ von hier verschifft«, fügt er hinzu.