Felspassagen von Wanderwegen wurden früher mit Stahlseilen abgesichert. Mit der Zeit entwickelten sich daraus Klettersteige, so dass auch schwierige Routen begehbar wurden. Norbert Eisele-Hein stellt diese längst zur eigenständigen alpinen Disziplin gewordene Sportart anhand von Reit im Winkl – einer feinen Adresse für Klettersteiger – vor.
Hoppala, schon der Einstieg fordert ein beherztes Hinlangen. Steil führt das Stahlseil den bauchigen Fels hinauf. Die Tritte müssen sorgsam gewählt werden. Eine exponierte, fast überhängende Leiter hilft, die Steilstufe gleich neben einer Höhle zu überwinden. Der Hausbachfall-Klettersteig ziert sich nicht. Sagt sofort an, was Sache ist. Bizeps und Waden werden gleich aktiviert, Substanz und Trittsicherheit abgerufen. Und das ist auch gut so. Eine Route, die harmlos beginnt und erst dann richtig fordernd wird, wenn Kondition und Kraft schon angeknackst sind, kann vor allem für Anfänger zur Falle werden. Dann reicht die Power nicht mal mehr für den geordneten Rückzug. Angstschweiß auf der Stirn und aufkeimende Panik wären die Folgen.
Doch der brandneue Steig, der erst letzten Herbst vom TÜV Süd zertifiziert wurde und somit der erste Klettersteig Deutschlands mit Prüfsiegel ist, spielt mit offenen Karten. Eine Stunde Durchstiegszeit, 170 Höhenmeter, Schwierigkeit C, eine perfekte Routenskizze – die brandneue Übersichtstafel kurz vor dem Einstieg liefert die Fakten. Eine wundervoll luftige, schön die Felsstruktur nutzende Routenführung durch eine zauberhafte Wasserfallschlucht macht ihn zu einem wahren Klettersteig-Schmankerl.
Optimale Infrastruktur rund um Reit im Winkl
Reit im Winkl gilt eigentlich als amtlich verbrieftes Schneeloch. Wie heißt es so schön im meteorologischen Fachjargon: »das Phänomen der Kaltluftseen« sorgt für vermehrten Schneefall. Und in der Tat. Der Maserer Pass bildet im Winter häufig die Grenze. Diesseits dominiert Grün. Jenseits im Mikroklima von Bayrisch Sibirien müssen Wintersportler für die letzten zehn Kilometer Schneeketten aufziehen und es herrscht häufig Powder-Alarm. Seit Rosi Mittermaier 1976 bei der Olympiade in Innsbruck jede Menge Edelmetall abräumte, sind die Winklmoos-Alm und Reit im Winkl ohnehin ein stehender Begriff im Wintersport. Doch dort, wo Skifahrer aufgrund vieler schwarzen Pisten im Winter mit der Zunge schnalzen, finden Wanderer im Sommer jede Menge erstklassige Touren.
Rings um den Ortskern schrauben sich die Pfade langsam, aber stetig mehr als 1.000 Höhenmeter hoch zum Fellhorn und zur Steinplatte, über das Heutal bis hinter zum Sonntagshorn, dem höchsten Berg der Chiemgauer Alpen. Wer es gemächlicher bevorzugt, wandert in den Tälern von einem Badesee zum anderen. Viele Schleifen machen auch noch einen Abstecher in den Kaiserwinkl auf Tiroler Territorium. Die Reit im Winkler hegen und pflegen ihre prämierten Wanderwege. Das Deutsche Wanderinstitut hat bereits fünf Sommerrouten und zwei Winterwegen den Premium-Status verliehen. Auch das Frauen-wandern-anders-Programm von Annette Heigenhauser hat bereits für ein Rauschen im Blätterwald der Fachpresse gesorgt. Sogar die Spitzenbergsteigerinnen Gerlinde Kaltenbrunner, Ines Pappert und Alix von Melle waren schon mit ihr auf Tour.
Mit dem Hausbachfall-Klettersteig hat Reit im Winkl nun ein neues Glanzlicht im Programm. Und das zur rechten Zeit. Denn Klettersteigen boomt. Immer mehr bis dato »Nur-Wanderer« zieht es an den Fels. Wer bereits eine ordentliche Wanderausrüstung besitzt, benötigt lediglich noch einen Sitzgurt, das Klettersteig-Set mit den beiden Karabinerarmen, Handschuh und Helm – schon kann es losgehen. Die Kosten für den Neueinstieg sind überschaubar. Zum Antesten kann die Ausrüstung ja auch mal im Rahmen einer geführten Tour ausgeliehen werden.
Goldene Regeln
- Klettersteigset in Y-Form und automatisch verriegelnden Karabinern mit Ankerstich in der Einbindeschlaufe des Hüftgurts befestigen. Hüftgurt ordentlich verriegeln und Beinschlaufen leicht anzurren.
- Klettersteigpartner überprüfen gegenseitig den korrekten Sitz ihrer Ausrüstung.
- Es werden immer beide Karabiner eingehängt. Und beim Umhängen wird immer nur ein Karabiner umgehängt. Niemals beide Karabiner gleichzeitig aushängen, auch wenn das Gelände oder der Steig gerade einfach erscheint. Bei Steinschlag oder einer Unachtsamkeit, z.B. bei Gedränge im Steig, ist der eine Karabiner die Lebensversicherung.
- Klettersteige sind kein Turnreck. Steigen Sie bewusst mit ihrer Beinkraft nach oben. Felgaufschwünge mit den Oberarmen kosten auf Dauer zu viel Kraft.
- Wählen Sie Ihre Route nach Ihren Möglichkeiten. Karten- und Führermaterial sowie Infos vor Ort geben meist detailliert Auskunft, welche Schwierigkeiten und Durchstiegszeiten zu erwarten sind.
- Machen Sie ausreichend Pausen und trinken Sie genug.
- Achtung: Steigen Sie nur bei sicherer Wetterlage ein. Regen erhöht die Schwierigkeit eines Klettersteigs enorm, bei Gewittern herrscht im Nu Lebensgefahr.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 05/2013.