Muggiotal – ein gut gehüteter Schatz im Tessin

Das Valle di Muggio unweit von Mendrisio ist nicht nur das südlichste Bergtal der Schweiz, es ist auch eines der urigsten. Zu entdecken gibt es dafür umso mehr. Eine ganz besondere Perle ist zum Beispiel die Mühle von Bruzella, in der das Maismehl für leckere Polenta noch wie vor 100 Jahren gemahlen wird.

TEXT/FOTOS: CHRISTINA FESER

Mit prüfendem Blick inspiziert Irene Petraglio den schmalen Zuleitungskanal und nickt. Trotz des Starkregens letzte Nacht verstopfen weder Blätter noch Geäst den Zulauf. Das Wasser kann ungehindert fließen. Los geht’s!

Die Müllerin saust die steile Treppe hinunter und betätigt einen Hebel. Wasserfallartig ergießt sich das aufgestaute Nass über dem schweren Eisenrad und setzt es in Gang. Irene wuchtet zwei je 25 Kilogramm schwere Säcke mit Mais auf eine Holzempore, füllt sie in den Trichter – und schon macht sich das Getreide auf seine Reise.

Es dauert nur wenige Minuten, da haben sich die ersten Körner in gelbes, rot gesprenkeltes Polentamehl verwandelt. In einem feinen Strahl rieselt es unterhalb des Mahlsteins heraus. Irene reibt das Maismehl zwischen ihren Fingern und sagt zufrieden: »Tutto bene! Die Konsistenz ist perfekt.« Die Hände tief in den Taschen ihrer Jeans vergraben, tritt sie vor die Mühle, blinzelt in die Morgensonne und sagt: »Jetzt trinken wir erst mal einen Kaffee.«

FRÜHER GAB ES AM FLUSS ZIG MÜHLEN
Polenta gehörte in den vergangenen Jahrhunderten neben Kastanien und Kartoffeln zu den Hauptnahrungsmitteln im Tessin. »Im Muggiotal klapperte früher in jedem Ort eine Mühle, um das Mehl dafür zu mahlen«, erzählt Irene und nippt an ihrer Tasse. Der Bedarf war groß, denn Polenta gab es jeden Tag: am Morgen mit Konfitüre und Milch, mittags warm mit Käse, Kartoffeln und sonntags auch mal mit Fleisch. Um etwas Abwechslung auf den Tisch zu bringen, wurde abends Kastanienbrei gekocht. Ihr Lieblingsgericht sei Polenta süßsauer mit Mortadella, Bratwurst, Rotwein, Kastanien und Rosinen gewesen, erinnert sich die quirlige Müllerin.

Das Rad läuft, der Mühlstein mahlt, das Maismehl rieselt. Alles in bester Ordnung. Dennoch wirkt Irene unruhig. Immer wieder schaut sie auf ihre Uhr, dann springt sie auf.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 3/2023 des Reisewelt ALPEN Magazins.
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