Eine Reise in die Vergangenheit
25 Jahre liegen zwischen der ersten und letzten Reise von Bernd Ritschel nach Patagonien. Zusammen mit Frau und Tochter besuchte er vergangenen Winter berühmte Nationalparks, aber auch ganz einsame und abgeschiedene Gegenden. Was hat sich verändert in all den Jahren? In seinem Reisebericht erzählt er von endlosen Schotterpisten, großartigen Wanderungen und – noch immer – unglaublich schönen Landschaften.
Text/Bilder: Bernd Ritschel
August 1990
Mehr als 2 Jahre liegt meine erste Reise nach Patagonien nun zurück. Ela, damals meine Freundin, heute meine Frau, und ich hatten zwar kaum Geld, aber dafür viel Zeit. Mein Plan war einfach: wir wollten leicht und spartanisch reisen, ganz so, wie ich es in diesen Jahren von meinen Berg-Expeditionen her gewohnt war. Aus »Gewichtsgründen« musste meine Frau sogar auf ihr Deo verzichten – ein Fehler, wie ich bereits wenige Tage nach unserer Abreise feststellte.
Wir waren »echte Backpacker«: ein großer Rucksack am Rücken, die Fototasche bzw. ein Daypack vor dem Bauch. Mein Glück war, dass meine Frau noch keine Fernreise-Erfahrung hatte. Damals wusste sie noch nicht, dass ich für unsere Trekkings eine ungewöhnlich Kalorien reduzierte Verpflegung plante: ein paar Löffel Schokoladen-Babybrei zum Frühstück, eine sehr überschaubare Anzahl an Keksen auf Tour und einer Tütensuppe als Abendessen. »Schatz, Gewicht sparen ist alles«… Aber von diesen ernst gemeinten Worten löste sich ihr Hunger halt auch nicht in Luft und Liebe auf.
Patagonien war damals wirklich noch das Ende der Welt. Im Nationalpark Torres del Paine gab es weder Hotels noch Campingplätze. Die einzige Hütte im Gebiet war ein Bretterverschlag der sich Refugio Pehoe nannte. Nach stundenlanger Wanderung durch Graupelschauer und Kälte schliefen wir dort auf dem Tisch, weil Mäuse und Ratten den restlichen Raumlautstark für sich beanspruchten.
Im Nachhinein bin ich mir auch nicht mehr ganz so sicher, ob es geschickt war, den Monat August als Reisezeit für uns zu wählen: »Schatz, im August ist es hier zwar Winter, aber dafür hat es keine Touristen, wir sind ganz sicher überall allein!«. Ja, wir waren in den meisten Gebieten wirklich allein, aber dafür tobten ohrenbetäubende Stürme, jagten Schneeschauer über die grau-braune Pampa und machte Dauerregen das ohnehin schon triste Tiefland noch trostloser.
Zurück in Puerto Natales gönnten wir uns in einer der wenigen zur Verfügung stehenden Unterkünfte ein zumindest trockenes Bett. Die Erinnerungen meiner Frau an diese Tage sind dennoch eher schaurig: Feuchte Wände, Flöhe im Bett und schimmliges Toastbrot zum Frühstück konnten sie nicht wirklich begeistern… Aber auch Puerto Natales hat sich unglaublich verändert. Hatten wir damals noch die magere Wahl zwischen einer Handvoll Bed&Breakfast, so gibt es heute hunderte Unterkünfte, die allen gewünschten Luxus bieten. Dazu Geschäfte, Banken, Restaurants und zahlreiche Cafés, die nicht nur italienischen Espresso, sondern auch noch grüne Smoothies anbieten.
Der Fernweh-Flair all der Globetrotter-Traumdestinationen hat längst auch dieses Ende der Welt erreicht. Riesige Werbeplakate sollen das internationale Publikum in die vielen Trekking-, Rafting-, Climbing- und Adventure-Agenturen zwischen Handyshop und Supermercato locken. Nur laufen muss man noch selbst – und zahlen.