Mehrtageswanderung mit Familie – geht das?
»Immer allein als Familie ins Gebirge?« Nein, hatte sich Ralf Gantzhorn diesmal gedacht. Und so traf man sich zu acht im Grödnertal, um eine mehrtägige Tour in Angriff zu nehmen.
Text/Bilder: Ralf Gantzhorn
Neben meiner eigenen Familie, bestehend aus Freundin Birgit und unseren beiden Söhnen Nils (11 Jahre) und Finn (5 Jahre), kommt auch Familie Jung mit Katrin und Bernd sowie den Kindern Maja (3 Jahre) und Moritz (4 Jahre) dazu. Und so viel wird gleich zu Beginn klar: So lange Maja mit ihren drei Jahren selbst läuft, werden die drei Jungs kein Klagelaut über zu viele Höhenmeter über die Lippen bringen.
Als Start- und Zielpunkt haben wir uns das Almhotel Col Raiser oberhalb des Grödnertals ausgewählt. Entspannt lernen wir uns im Whirlpool kennen, dahinter das gewaltige Massiv des Langkofels, ein Blick, der jeden Märchenbuchillustrator in Ekstase versetzen würde. O.k., die etwas betuchteren Gäste waren angehörs des Kindergeschreis nurmäßig begeistert. Doch Besitzer Hans Schenk hat selbst Kinder…
Unsere geplante Tour soll uns in vier kurzen und abwechslungsreichen Etappen rund um die Geislerspitzen führen. Ich hoffe, Karte und Informationen richtig verstanden zu haben…
Zur schönsten Alm der Dolomiten
Der erste Tag führt uns vom Col Raiser zur Broglesalm– drei Stunden steht im Führer. Nach etwas langweiligem Start auf breiten Wegen sorgt kaum eine halbe Stunde später die Trojer Alm mit Ziegen und Kaninchen für Abwechslung. Die Kinder sind begeistert, zumal sich kleine blaue Schmetterlinge, angezogen durch die verschwitzten Klamotten, auf die nackte Haut setzen. Uahhh – das kitzelt! »Da – ein Edelweiß!«, ruft Finn an der nach einer weiteren halben Stunde Wanderung erreichten Pana-Scharte, eines von Hunderten und ein weiterer Grund für eine Pause.
Der Abstieg zur Broglesalm ist steil und herausfordernd – kein Problem für kleine Bergsteiger. Man muss sie nur lassen. Nils zeigt, was er kann und führt seinen kleinen Bruder in seltener Eintracht die schwierigen Passagen hinunter. Angekommen an der Broglesalm, überraschen uns die Hüttenwirte mit einer für Gastwirte ungewöhnlichen Mitteilung: »Abendessen wird es erst nach 21 Uhr geben.« Grund ist der nasse Sommer und der Zwang, den wahrscheinlich einzigen trockenen Tag zu nutzen, um das Heu einzubringen.
Aber wir dürfen helfen. So haben wir alle bald Heugabeln in der Hand und rechen, was die Wiese hergibt. Zur Belohnung dürfen die Kinder alle mit auf dem Traktor sitzen und später noch die Kühe melken. Für uns Erwachsene gibt’s zwei Flaschen Wein – erfahrene Wirte wissen, wie man auch Eltern an sich bindet.
Im Schatten der Geislerspitzen
Tag 2 steht ganz im Zeichen von Adolf Munkel. Er war Gründer und Vorsitzender der Sektion Dresden des Deutschen Alpenvereins und nach ihm wurde 1905 einer der schönsten Höhenwege der Dolomiten benannt – eben der Adolf-Munkel-Weg. Er leitet mal leicht absteigend, mal leicht aufsteigend parallel der Waldgrenze von der Broglesalm zur Schlüterhütte.
Wir legen unsere Köpfe ganz weit in den Nacken. Nur dann können wir sie sehen, die bis zu 700 Meter hohen Nordwände der Geislerspitzen, senkrechte Felsbastionen, an denen Reinhold Messner das Klettern erlernte. Wie die Zinnen einer riesigen Burg ragen sie über uns auf. Ohne Blitz und Donner heute, die Riesen scheinen uns wohlgesonnen zu sein.
Der Schlussanstieg zur Schlüterhütte fordert noch mal alles. Es ist drückend heiß und die Kehren ziehen sich zu der schon von weit unten sichtbaren Hütte. Dafür ist der Empfang dort umso herzlicher: Die Hütte besitzt einen eigenen Spielplatz mit Rutsche und Schaukeln. Im Mittelpunkt des spielerischen Interesses steht jedoch schnell ein Plastikbob: Aufgrund seiner hervorragenden Rutscheigenschaften kann er auch auf dem frisch gemähten Heu eingesetzt werden: Nils entdeckt es als Erstes und so ist er bald Kapitän auf dem Heubob.