Selvaggio Blu

Gepriesen wird der Selvaggio Blu als das schönste und schwierigste Trekking in Italien. Vier bis
fünf Tage geht es durch die Steilküste an der Ostseite Sardiniens. Fantastische Ausblicke, uralte Hirtenunterkünfte, überhängende Abseilpassagen – am Selvaggio Blu wartet das perfekte Abenteuer.

TEXT: ANDREA STRAUSS / BILDER: ANDREAS STRAUSS

Air halten beide Enden des Kletterseils fest in den Händen. In steiler Wand ist das Seil unser Lebensretter. Ohne wäre man verloren, mit bleibt man handlungsfähig. Die Mitte des Seils ist 40 Meter über uns durch einen Ring gefädelt. Gleich werden wir an einem Ende ziehen und hoffen, dass sich das Seil beim Fallen nirgends verhakt. Trotzdem zögern wir. Die Felswand unter uns ist Neuland, wir kennen sie nicht. Wenn wir das Seil jetzt abziehen, dann gibt es keinen Weg mehr zurück. Point of no return, das ist die Stelle, an der wir gerade stehen.

Wir kommen von oben, haben über 40 Meter teils senkrechtes, teils überhängendes Felsgelände abgeseilt. Wenn das Seil abgezogen ist, gibt es keine Chance, kletternd zurückzukommen. Jedenfalls nicht für uns. Aber wahrscheinlich auch für keinen anderen. Wir sind darauf angewiesen, dass wir auf dem weiteren Weg in die Tiefe die richtige Trasse finden und dass es sie überhaupt gibt. Andernfalls baumeln wir für den Rest des Lebens in einer sardischen Steilklippe, über uns senkrechter Fels, unter uns tiefblaues Meer und beides unerreichbar.

Aber wir hatten ja gewusst, worauf wir uns einlassen. Der Selvaggio Blu wird als das schwierigste Trekking Italiens oder sogar Europas beschrieben. In den letzten vier Tagen gab es ausreichend Gelegenheit, zu erfahren, wie das gemeint ist.

Nach unserer Ankunft auf der schönen Insel Sardinien hatten wir uns mit leichtem Gepäck auf den Weg durch Macchia und verlassene Almweiden gemacht und versucht, den Selvaggio Blu von der Seite kommend zu finden. An Vorbereitung und technischer Finesse hat es nicht gemangelt: Es gibt eine gute Landkarte im Maßstab 1:15.000, eine genaue Beschreibung der Tagesetappen und einen GPS-Track mit unzähligen Wegpunkten.

Trotzdem hat uns die Steilküste im Nationalpark Golfo di Orosei e del Gennargentu genarrt. Durch kratzigen Lorbeer haben wir uns einen Hang hinabgemüht. »Noch hundert Meter bis zum Track. Noch zehn Meter. Noch fünf Meter. Bisschen nach rechts.« Fünf stachelige Büsche später hat das GPS-Gerät angezeigt: »Jetzt haben wir den Weg bereits gekreuzt.«

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Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 1/2023 des trekking-Magazins.
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