Mit 15 Jahren gab es für Paul Villecourt nur Freestyle und Slalom, mit 20 Wildwasser IV/V oder nichts. Mit 40, mit den Kindern, ging es im Kanu auf die großen Wanderstrecken. Aber jetzt, mit 50, was bleibt, wie kann man noch anders« Flüsse erfahren? Na klar, in dem man sie mal aufwärts statt abwärts paddelt! Die Ardèche, die Königin der französischen Flüsse, schien Paul dafür ideal zu sein. Sein Credo: Egal ob 50, jünger oder älter: Wagt es doch mal, gegen den Strom zu paddeln!
Fahren wir an die Ardèche in den nächsten Ferien?« »Gute Idee! Aber wir brauchen eine Lösung für den Bootstransport. Ist nicht so einfach dort.« »Aber nur, wenn man auf ein Auto angewiesen ist!« Interessante Idee: Die klassische Strecke der Ardèche ist gut 30 Kilometer lang. Wenn man sie auswendig kennen lernen will, braucht man sie nur aufwärts zu paddeln und schon ändert sich die Perspektive. Lang lebe die Langsamkeit: Zwei oder drei Tage braucht man, um gemütlich hochzukommen. Die perfekte Voraussetzung, um die Landschaft einmal vollständig anders wahrzunehmen.
Nun muss man alles umgekehrt denken. Selbst die Wasserstände. Normalerweise wünscht man sich möglichst viel Wasser dort, um die Flachwasseranteile gering zu halten. Will man flussaufwärts paddeln, gilt das Gegenteil: Je weniger Wasser, desto einfacher wird es. Oberhalb von 30 Kubikmetern in der Sekunde wird die Lage kompliziert, aber immer noch machbar, auch wenn das Vorankommen dann deutlich sportlicher wird.
Auf geht’s ins Abenteuer
In Sauze, am Ausgang der Schlucht, mittags, im Oktober 2021. Die Färbung der Bäume ist atemberaubend und der Himmel strahlend blau. Kein Mensch auf dem Bach. Wir setzen an der sicher größten Einsatzstelle Europas ein: Eine riesige Betonrampe, an der in der Hochsaison reihenweise Busse stehen, um die Paddler wieder einzusammeln. Die »RiverApp« zeigt uns einen Wasserstand von 30 Kubikmetern in der Sekunde an, das dürfte also kein Problem sein. Dies wird meine dritte Tour die Ardèche hinauf. Die zweite fand 2017 statt, während der »Grande Traversée« von Frankreich im Kanu. Damit verbanden wir die Strecke von der Rhône bis zum Chassezac. 70 Kilometer in vier bis fünf Tagen gegen die Strömung, wobei das nicht sehr angenehm war, da der Chassezac 25 Kubikmeter die Sekunde hatte – das wünsche ich wirklich niemandem. Die Fahrt bis zur Pont d’Arc dagegen bleibt mir unvergesslich schön in Erinnerung.